„Roman de la Rose“, Rosenroman, lautete der Titel eines der berühmtesten Liebesromane des frühen Spätmittelalters. Ein Roman in Versen. In ihm verwandelt sich ein Schlafender im Traum in einen Vasallen der Liebe und bricht auf, seine Angebetete zu erobern, die, so will es das Allegorische der damaligen Zeit, als Rose vorgestellt wird. Umstritten war das Werk vor allem wegen der in den Augen der Zeitgenossen allzu konkreten Beschreibungen fleischlichen Begehrens.
Der jetzt erschienene „Rosenroman“ von Zoltán Danyi hat außer dem Titel scheinbar nichts gemein mit der höfischen Vorlage. Schließlich geht es zwar um Rosen und um die Liebe, doch der enorme Sog, den der Roman erzeugt, ist von anderer Art.
„Ich stand am Fenster und wartete, dass die Sonne unterging, denn das war die Regel, und wenn ich nicht wollte, dass etwas Schlimmes geschah, musste ich warten, bis sie untergegangen war.“ So beginnt der Roman. Wie hier muss sich der Protagonist offensichtlich fortwährend selbst gewählten Zwängen unterwerfen, um seine Ängste in Schach zu halten und sich das Vertrauen in ein Morgen herbeizureden, das der blutige Krieg im früheren Jugoslawien zerstört hat.
Wer ist er, fragt man sich, und was vermag der Mensch in Zeiten des Krieges. So verkorkst das Leben, der lange Atem der Sprache hält kraftvoll dagegen. Der Sog des Textes ist aus der Hoffnung gemacht, dass eines Tages auch für den Protagonisten alles doch noch „in Ordnung“ käme.
Zoltán Danyi lebt in Serbien; er gehört der ungarischen Minderheit an. Sein erster Roman, „Der Kadaverräumer“, handelte von einem Räumkommando, das an der ungarisch-serbischen Grenze auf Dutzende von Tierkadavern stößt. Die brutale Darstellung der vom Krieg traumatisierten Gesellschaft hatte seinerzeit die hiesige Literaturkritik verstört.
Nun im „Rosenroman“ dreht und wendet sich jede Beschreibung mehrfach. Welche Bewegungsräume hat der Einzelne in einer – nicht nur – vom Krieg zerfressenen Welt? Wie viel Verantwortung suchen wir? Ist es nicht so, dass wir nur zu gerne „funktionieren“, nur zu gerne an dem, was wir vorfinden, einfach mittun? Man kann schließlich nicht leben, ohne sich anzupassen.
An Sätze klammern, um die Angst in Schach zu halten
Der Schrecken darüber, dass ein Mensch sich an Sätze klammert, um die eigenen Ängste in Schach zu halten, hallt beim Lesen lange nach. Doch zurück zur Handlung: Ein namenloser Icherzähler, ein traumatisierter ungarischer Serbe, wächst als Sohn eines Rosenzüchters heran und tritt wider- und bereitwillig zugleich in die Fußstapfen seines Vaters. Viele Jahre haben Vater und Sohn gemeinsam auf dem Feld gearbeitet, die Wildrosen beschnitten, den Boden gefräst, Steine aufgesammelt, Unkraut gejätet und Pfropfen gesetzt. Wohl um der Fron der Feldarbeit und den ausgetretenen Pfaden des Vaters ein wenig zu entgehen, hat der Erzähler irgendwann das Ausfahren der Rosen übernommen.
Als der Krieg begann, konnte er sich dank der guten Beziehungen seines Vaters der Einberufung zum Militärdienst entziehen. Die Mutter geht nach Ungarn zurück, da sie, wie sie sagt, einen Rückfall in nationalistische Feindseligkeiten befürchtet; Vater und Sohn bleiben. Die Rosen brauchen sie, auch wenn die Blumen immer weniger Absatz finden.