In einem Sankt Petersburger Rüstungsbetrieb steht Wladimir Putin am Mittwochnachmittag vor Drohnen, wie sie Russlands Feinden den Tod bringen. Er lobt die Gespräche, die seine Emissäre am Vortag mit den Amerikanern in Riad geführt haben. „Ich schätze sie sehr“, sagt der Präsident seinen Medienvertretern über die Unterredungen. „Es gibt ein Ergebnis.“
Vor und während der Begegnung hatte sich Putin rargemacht. Offenbar, um die Avancen des amerikanischen Präsidenten zu priorisieren: Dass Putin seine für Ende Februar erwartete „Botschaft an die Föderalversammlung“ verschoben hat, begründete die gut vernetzte Journalistin Farida Rustamowa damit, dem Präsidenten sei gerade nicht nach dieser jährlichen Ansprache zur Lage der Nation. Er sei vollauf beschäftigt mit den Verhandlungen und den Vorbereitungen seines Treffens mit Donald Trump.
So geht es seit Wochen. Im Januar zog Putin eine Sitzung seines Sicherheitsrats auf den Tag der Amtseinführung Trumps vor, um diesem zu gratulieren. Für ein Telefonat mit Trump verschob Putin vorige Woche eine Sitzung mit seiner Regierung.
Aufmerksamkeit vom Ukrainekrieg lenken
Trat Putin in den vergangenen zwei Wochen überhaupt öffentlich auf, kommentierte er die Beziehungen zu Washington „absichtlich“ nicht, um die positiv gegenüber Russland gestimmten Amerikaner „nicht zu verschrecken“, so Rustamowa. Zu Putins Taktik zählt auch, die Frage des Ukrainekriegs, auf die sich im Westen wie in Russland alle Aufmerksamkeit richtet, an den Rand zu drängen.
In Petersburg erwähnt Putin als Ergebnis von Riad eine Vereinbarung mit Washington, die Arbeit der wechselseitigen diplomatischen Vertretungen zu „normalisieren“. Das sei der erste Schritt, um „die Arbeit auf unterschiedlichsten Gebieten von gegenseitigem Interesse wiederaufzunehmen“. Putin nennt den Nahen Osten, spricht dann über eine „gemeinsame Arbeit“ mit Amerika „auf den globalen Energiemärkten“ – als gäbe es anstelle der amerikanischen Sanktionen gegen den russischen Energiesektor schon eine solche „Arbeit“.
Putin will Trump für neue Projekte begeistern – und die Ukraine zu einem Stolperstein reduzieren, den man rasch aus dem Weg schaffen müsse. Man kennt und schätzt Trump in Moskau als „Businessman und Politiker“: In dieser Reihenfolge erinnert ein hollywoodhafter Stern mit Trumps Unterschrift in einem Gang der Crocus City Mall, eines Einkaufszentrums nahe Moskau, an einen Besuch des New Yorkers im November 2013. Da hielt Trump in der benachbarten Crocus City Hall – die im März 2024 Schauplatz eines islamistischen Terroranschlags wurde – seinen „Miss Universe“-Schönheitswettbewerb ab, für angeblich zwischen 14 und 20 Millionen Dollar.
Putins wichtigster Mann in Riad
Zu diesem Bild passt, dass nun in Riad nicht Außenminister Sergej Lawrow oder Putins außenpolitischer Berater Jurij Uschakow dessen wichtigster Mann gewesen sein dürften, sondern Kirill Dmitrijew, der Leiter des staatlichen Investitionsfonds RDIF. An den amerikanischen Universitäten von Stanford und Harvard ausgebildet und einst für amerikanische Investmentbanken tätig, weiß der 49 Jahre alte Funktionär, wie man mit Trumps Leuten redet. Zugleich hat er als Gatte der angeblich besten Freundin einer Tochter Putins direkten Zugang zum russischen Präsidenten.
Schon nach Trumps Wahlsieg 2016 war Dmitrijew für Putin daran beteiligt, Kontakte zu Trumps Team herzustellen, wie der Bericht des amerikanischen Sonderermittlers Robert Mueller schildert. In Riad gab Dmitrijew nun amerikanischen und russischen Medien Interviews und sorgte für gute Stimmung: Russlands Staatsnachrichtenagentur TASS verbreitete ein Foto, das zeigt, wie Dmitrijew den Außenminister und den Nationalen Sicherheitsberater Trumps zum Lachen bringt. TASS schrieb dazu, der RDIF „erwartet die Rückkehr einer Reihe amerikanischer Unternehmen auf den russischen Markt schon im zweiten Quartal des Jahres 2025“.
Auch am jüngsten amerikanisch-russischen Häftlingsaustausch war Dmitrijew beteiligt. In Riad rechnete er den Amerikanern vor, ihr „Business“ habe „mehr als 300 Milliarden Dollar verloren“, indem es den russischen Markt 2022 verlassen habe. Wie diese Zahl zustande kommen soll, ist ebenso Nebensache wie der Umstand, dass etliche amerikanische Unternehmen weiter in Russland tätig sind. Dmitrijew sagte, die wirtschaftliche Zusammenarbeit könne „sehr positiv für die Bürger unserer Länder“ sein, pries Trump und geißelte dessen Vorgänger Joe Biden. Unter ihm waren Dmitrijew und seine Frau Natalja Popowa kurz nach Russlands Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 mit Sanktionen belegt worden.
Kremlchef: „Übermäßige Forderungen“ Europas
Mit den „künstlichen Schranken auf dem Weg der Entwicklung einer für beide Seiten vorteilhaften Wirtschaftszusammenarbeit“, von denen Lawrow sprach, sind die Sanktionen gemeint, deren Lockerung oder Aufhebung Dmitrijew erreichen soll. So sagte er dem amerikanischen Portal „Politico“, man habe mit den Amerikanern über mögliche „gemeinsame Projekte“ im Energiebereich in der Arktis gesprochen. Dort hatte der amerikanische Konzern Exxon Mobil einst mit Russlands Staatskonzern Rosneft Rohstoffvorkommen erschließen wollen, sich aber 2018 aufgrund von Sanktionen zurückgezogen. Dass Trump derweil Amerikas NATO-Partner und Arktis-Anrainer Dänemark mit Blick auf Grönland droht, kann Moskau auskosten, erwähnt es aber nicht.
Putin preist vor den Drohnen vielmehr Trumps Emissäre in Riad: Sie seien „ohne jede Voreingenommenheit, ohne jede Verurteilung dessen, was in der Vergangenheit gemacht worden ist“, und „offen für die gemeinsame Arbeit“. Dann lässt sich Putin nach den Europäern und Ukrainern fragen, die kritisierten, nicht an den Gesprächen teilzunehmen. Das seien „übermäßige Forderungen“, sagt Putin, es gehe darum, die russisch-amerikanischen Beziehungen instand zu setzen, sonst lasse sich auch „die ukrainische Krise“ nicht lösen.
Putin wirft „allen europäischen Anführern“ vor, sich in die amerikanischen Wahlen „eingemischt“ zu haben, „bis hin zu direkten Beleidigungen eines der Kandidaten“. Obwohl klar gewesen sei, „mit wem wir sympathisieren“, habe sich Russland nicht eingemischt.
Ihn, Putin, überrasche „die Zurückhaltung“, die Trump gegenüber dessen Verbündeten an den Tag lege, die sich „rüpelhaft“ betragen hätten. „Ich werde mich gern mit Donald treffen, wir haben uns schon sehr lange nicht gesehen“, sagt Putin, doch müsse das Treffen noch vorbereitet werden. Alsbald preist Putin den Fortgang seiner „speziellen Militäroperation“, des Angriffskriegs gegen die Ukraine, und sagt, an allen Fronten „greifen unsere Truppen an“.
Am Donnerstag überlässt er es seinem Sprecher, Trump gegen den Vorwurf des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu verteidigen, in einer russischen „Desinformationsblase“ zu stecken: Die Äußerungen seien „absolut unzulässig“.