Bundesfinanzminister Christian Lindner wendet sich gegen den von der Bundesregierung eigentlich angestrebten vorgezogenen Kohleausstieg im Jahr 2030. Doch Deutschlands größter Stromerzeuger hält wenig von dem überraschenden Vorstoß des FDP-Politikers. „Jetzt schon darüber zu spekulieren, dass der Ausstieg 2030 nicht gelingen kann, ist verfrüht, das halte ich für nicht zielführend“, sagte Markus Krebber, Vorstandschef des Essener Energiekonzerns RWE der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Lindner hatte diese Woche den von der Bundesregierung bislang angestrebten Kohleausstieg im Jahr 2030 infrage gestellt. Dies sei „Träumerei“, solange nicht klar sei, dass Energie verfügbar und bezahlbar sei, sagte er. Im Ende 2021 geschlossenen Koalitionsvertrag der Berliner Ampelregierung heißt es dagegen, dass der Ausstieg aus der Kohleverstromung vom zuvor angepeilten Datum 2038 möglichst auf 2030 vorgezogen werden soll.
RWE-Chef Krebber hält den Kohleausstieg 2030 weiter für erreichbar. „Noch ist Zeit, und die sollte die Politik auch nutzen“, forderte er im Gespräch mit der F.A.S. Um die Kohlekraftwerke zu ersetzen, sei in Deutschland dringend der Bau von Gaskraftwerken notwendig, die von Mitte des nächsten Jahrzehnts an mit klimaschonendem Wasserstoff betrieben werden könnten.
Die neuen Gaskraftwerke sollen nur dann zum Einsatz kommen, wenn Windkraft und Solaranlagen wetterbedingt zu wenig Strom liefern. „Andere Länder haben dafür schon kluge Marktsysteme geschaffen“, sagte der RWE-Chef. Deutschland dagegen sei „im Verzug“.
Krebber mahnte zur Eile: „Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung schnellstmöglich gemeinschaftlich Investitionsbedingungen für den Bau schafft“, sagte er. Bisher seien Investitionen in „zukunftsfähige Gaskraftwerke“ für Unternehmen wie RWE wirtschaftlich nicht attraktiv. Die Zeit dränge: Bis nächstes Jahr müsse klar sein, „wer, wann, wo baut, sonst wird es mit dem Kohleausstieg verdammt eng“.
Zugleich unterstrich Krebber, dass an dem im vergangenen Jahr mit der Politik vereinbarten Zeitplan für die Schließung der RWE-Kohlekraftwerke nicht gerüttelt werde. „Wir werden unsere Kohlekraftwerke 2030 wie vereinbart und gesetzlich festgeschrieben vom Netz nehmen“, sagte er.
RWE ist bislang mit seinen Kraftwerken einer der größten Kohlendioxid-Emittenten in Europa. Der Konzern will die Erzeugung von erneuerbarem Strom aus Windkraft und Solaranlagen stark ausbauen.