Im Rampenlicht, aber ohne Resonanz? Andreas Keller, Denis Petković, Thomas Braungardt, Bettina Schmidt und Martin Wenk (von links) blicken in den leeren Zuschauersaal.
Bild: Rolf Arnold
Zweiter Teil, nun auch ohne Zitate: Anna-Sophie Mahler radikalisiert am Schauspiel Leipzig ihre Bühnenadaption von Uwe Johnsons Romanzyklus „Jahrestage“.
In dem Dreivierteljahr, das Uwe Johnson nach Vollendung des vierteiligen Romanzyklus „Jahrestage“ bis zu seinem frühen Tod im Februar 1984 noch blieb, hat er einige Male aus dem Abschlussband vorlesen können. Dabei variierte er bisweilen den Text und trat in einen Dialog mit seiner Hauptfigur Gesine Cresspahl ein, die ihn im Manuskript kurz vor dem Ende, als es um eine pathetische Vorausschau auf ihr Sterben ging, angeraunzt hatte: „Genosse Schriftsteller! Du schreibst das hin!“ Johnson – so trug er es nachträglich vor – sei das zu viel gewesen, „das ist zu dick“, aber da es ja zu Ende ging mit dem Erzählen, „habe ich mich nicht weiter gesträubt und habe das hingeschrieben“, Sein fast zweitausendseitiger Roman, ein Triumph der deutschen Nachkriegsliteratur, entstand in Resignation.
Dabei erzählt das Werk von einem Neubeginn: Gesine Cresspahl, pünktlich 1933 in den Nationalsozialismus hineingeboren und danach auch von DDR und BRD enttäuscht, wanderte nach New York aus, erfährt dort aber in Konfrontation mit Vietnamkrieg und Bürgerrechtsbewegung nur noch einmal mehr die historische Ausweglosigkeit großer Geschichte. Was ihr (und uns als Publikum) bleibt, ist die Erinnerung: an die Toten und die geliebte Landschaft in Mecklenburg. Von dort aus war der mit Gesine annähernd gleichalte Johnson 1955 zum Studium nach Leipzig gegangen, das er selbst „die wahre Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik“ nannte: „Soviel irgend jemand will, bin ich ein Leipziger.“ Doch an diesen Uwe Johnson, der hier zwei prägende glückliche Jahre verbringen sollte, hatte die Stadt kaum Erinnerung bewahrt.