Im Schlichtungsverfahren über neue Tarife bei der Deutschen Bahn haben die Vermittler einen Kompromissvorschlag präsentiert. Er sieht unter anderem eine stufenweise Einkommenserhöhung um insgesamt 410 Euro pro Monat sowie eine Laufzeit von 25 Monaten vor, wie die beiden Schlichter – die Arbeitsrechtlerin Heide Pfarr (SPD) und der frühere Verteidigungs- und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) – am Mittwoch in Potsdam mitteilten. Sollten die Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) dem Vorschlag zustimmen, könnten Fahrgäste aufatmen, Streiks gäbe es dann nicht.
Konkret haben die beiden Schlichter eine stufenweise Erhöhung der Entgelte um mindestens 410 Euro vorgeschlagen. Die erste Stufe in Höhe von 200 Euro soll noch im Dezember dieses Jahres kommen, die zweite im August 2024. Außerdem soll es im Oktober eine Einmalzahlung in Höhe von 2850 Euro geben. Als Laufzeit schlagen Pfarr und de Maizière 25 Monate vor. Hinzu kommen strukturelle Entgelterhöhungen für bestimmte Berufsgruppen. Laut EVG könnten damit rund 70 000 Beschäftigte pro Monat noch einmal 100 Euro zusätzlich erhalten. „Beide Seiten müssen mit der Annahme des Kompromisses Kröten schlucken“, sagte de Maiziere. „Das liegt in der Natur des Kompromisses.“
Für Fahrgäste ändert sich erst einmal nichts
Über den Vorschlag müssen nun beide Seiten in ihren Gremien entscheiden. Für die Deutsche Bahn wäre es der höchste Tarifabschluss in ihrer Geschichte. „Wir haben eine finanzielle Überforderung der Deutschen Bahn vermieden“, sagte Personalvorstand Martin Seiler. Auf Seiten des Unternehmens gilt die Zustimmung als Formsache. Bei der EVG ist es komplizierter.
Zunächst ist für kommenden Freitag ein Treffen des Bundesvorstands geplant. Er soll noch am selben Tag eine Empfehlung abgeben, ob die EVG den Schlichterspruch akzeptiert oder nicht. Dann geht es in die Urabstimmung. Rund 180 000 Bahn-Beschäftigte sind dabei aufgerufen, über den Kompromissvorschlag abzustimmen. Um das Votum des Bundesvorstands zu überstimmen, brauchen die Mitglieder eine Dreiviertelmehrheit. Andersherum bedeutet das: Folgen mehr als ein Viertel der Teilnehmer der Empfehlung des Vorstands, gilt dieser. Die Urabstimmung ist bis Ende August angesetzt.
Für die Fahrgäste ändert sich erst einmal nichts. Die EVG hat Warnstreiks für die Dauer der Urabstimmung, also bis Ende August, zunächst ausgeschlossen. Der Beschluss des Bundesvorstands voraussichtlich an diesem Freitag dürfte die weitere Richtung vorgeben. Stimmen er und die Mitglieder zu, gibt es eine Tariflösung und die Kundinnen und Kunden müssen auch über den August hinaus keine Ausstände mehr befürchten. Stimmt die EVG gegen den Vorschlag, sind ab Ende August unbefristete Streiks möglich.
Der Kompromiss verlangt beiden Seiten einiges ab: Statt einer prozentualen Erhöhung muss die Bahn nun um Festbeträge aufstocken. Diese liegen in der Höhe deutlich unter der ursprünglichen Forderung der EVG. Die Gewerkschaft hatte mindestens 650 Euro mehr pro Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommensgruppen gefordert sowie eine Laufzeit von zwölf Monaten. Die Bahn wiederum hatte zuletzt acht Prozent mehr für die oberen, zehn Prozent für die mittleren und zwölf Prozent für die unteren Entgeltgruppen angeboten. Als Laufzeit wollte der Konzern 27 Monate durchsetzen.