„Starke, konkrete und handfeste Sicherheitsgarantien“ hat der französische Präsident Emmanuel Macron der Ukraine im vergangenen Juni versprochen. An diesem Freitag soll nun im Élysée-Palast in Anwesenheit des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Paris das bilaterale Abkommen über Sicherheitsgarantien unterzeichnet werden. Es soll wie das Anfang Januar unterzeichnete britisch-ukrainische Sicherheitsabkommen auf zehn Jahre angelegt sein. Ein wichtiger Punkt ist die Unterstützung des NATO-Gründungsmitglieds Frankreich für einen Beitritt der Ukraine zur Allianz.
Zunächst wollte Macron seine Unterschrift unter das bilaterale Abkommen in Kiew setzen. Doch „aus Sicherheitsgründen“ wurde die Reise des Präsidenten in das kriegsgebeutelte Land verschoben. Bevor Selenskyj nach Paris kommt, soll er in Berlin ein bilaterales Sicherheitsabkommen mit Deutschland unterzeichnen. Am Samstag wird er auf Münchner Sicherheitskonferenz erwartet.
Frankreich legt Wert darauf, als eines der ersten Länder der Europäischen Union die Sicherheitsgarantien zu unterzeichnen, die im Juli in einer Vereinbarung der G-7-Staaten zugesagt wurden. Macron steht in der Frage der militärischen Hilfe unter Druck, da verstärkt Kritik laut wird, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU nicht genügend zur Solidarität mit der Ukraine beiträgt. Zuletzt hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bemängelt, die Beiträge, die die europäischen Staaten bisher für 2024 vorgesehen hätten, seien noch nicht groß genug. Frankreich reagierte drauf pikiert.
Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hat die vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel dokumentierten Hilfszusagen als nicht aussagekräftig bezeichnet und gesagt, es würden „Äpfel mit Birnen“ verglichen. Das Forschungszentrum erhebt in seinem „Ukraine Support Tracker“ seit Kriegsbeginn die Unterstützung aller Geberländer an die Ukraine. Für Frankreich beläuft sich die Militärhilfe demnach bis Ende Oktober 2023 auf 540 Millionen. Eine verlässliche Übersicht über die französische Militärhilfe sei in Planung, der Rechnungshof soll damit beauftragt worden sein, heißt es in Paris.
Warten auf Kampfflugzeuge
Unklar blieb am Donnerstag, ob Macron sich mit seinem Vorstoß durchgesetzt hat, der Ukraine Kampfflugzeuge vom Typ Mirage 2000 zu liefern. Er hält sich gern zugute, mit der Lieferung der AMX-Panzer andere Partner dazu gebracht zu haben, der Ukraine moderne westliche Panzer zu liefern. Kiew hat seit längerer Zeit in Paris Kampfflugzeuge angefragt. Zuletzt hatte Macron darüber bei Selenskyjs Besuchen im Februar und im Mai vergangenen Jahres beraten.
Seit März 2023 werden ukrainische Piloten auf den Luftwaffenstützpunkten in Mont-de-Marsan und in Nancy nach Informationen der Zeitung „Le Figaro“ an den von Dassault produzierten Kampfflugzeugen ausgebildet. Das Verteidigungsministerium hat die Information nicht dementiert. Die französischen Streitkräfte sind laut Verteidigungsfachleuten dabei, 55 Mirage-2000-Maschinen auszumustern. Sie würden es der Ukraine erlauben, Kurz- und Mittelstrecken-Luft-Luft-Raketen vom Typ MICA-IR einzusetzen. Macron hatte im Januar angekündigt, der Ukraine weitere 40 Marschflugkörper vom Typ Scalp und Hunderte Lenkbomben zu liefern.
Der Versuch, sich im Weimarer Dreieck, bestehend aus Deutschland, Frankreich, Polen, auf ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen, war im vergangenen Sommer gescheitert. Der Kanzler war am 12. Juni von Macron im Élysée-Palast zu einem Abendessen mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda empfangen worden. Macron und Duda hatten sich zuvor beraten und überrumpelten Scholz bei Tisch mit der Forderung, sich für einen konkreten Zeitplan für eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine einzusetzen. „Wir haben viele Gelegenheiten verpasst, dem Osten Europas zuzuhören“, hatte Macron in seiner Rede Ende Mai in Bratislava eingestanden. Scholz setzte er in dem Dreiergespräch darüber in Kenntnis, dass am Vormittag bei einem Treffen des Verteidigungsrats im Élysée eine strategische Kehrtwende beschlossen worden sei. Frankreich, das schon vor dem NATO-Gipfel in Bukarest 2008 zu den Bedenkenträgern zählte, werde sich künftig für einen konkreten Fahrplan für eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine einsetzen.
Der Verteidigungsrat wird vom Präsidenten einberufen, um wichtige Sicherheitsfragen vertraulich im kleinen Kreis zu erörtern. Zu den Teilnehmern zählen neben dem Regierungschef die Minister für Verteidigung und Inneres sowie der Generalstabschef und die Spitzen der Geheimdienste. Scholz soll laut Diplomaten entrüstet darüber gewesen sein, wie er von Macron in Anwesenheit Dudas als unverbesserlicher Skeptiker vorgeführt wurde. In seiner Rede im Bundestag zur Würdigung des verstorbenen Wolfgang Schäuble sprach Macron dessen Umdenken nach dem russischen Angriff an und sagte, dieser hätte einen NATO-Beitritt der Ukraine unterstützt. Das bezog sich auf Äußerungen Schäubles, dass er sich in dieser Frage geirrt habe: „Ich lag falsch, wir alle lagen falsch.“