Sie kam zurück nach sechswöchiger Wettkampfpause, nahm den Slalom-Hang von Are unter ihre Ski und siegte, als wäre sie nie weg gewesen. Mikaela Shiffrin hat ihr Comeback im alpinen Weltcup auf eine Art und Weise zelebriert, wie es vermutlich nur ihr möglich ist. Nach gerade mal vier Trainingstagen gewann die 28-jährige Amerikanerin am Sonntag mit sagenhaften 1,24 Sekunden Vorsprung den Weltcup-Slalom in Schweden – und sicherte sich somit auch die kleine Kristallkugel als beste Slalom-Läuferin der Saison.
Die Konkurrentinnen verneigten sich vor der Schnee-Königin, der in Are ihr 96. Weltcupsieg gelang und die einmal mehr in einer eigenen Liga fuhr. Hinter ihr entstand ein Wimpernschlag-Rennen um die Plätze auf dem Siegerpodest, bei dem die Deutsche Lena Dürr Pech hatte. Sie musste sich nur um eine Hundertstelsekunde der Schweizerin Michelle Gisin geschlagen geben und wurde Vierte. Den zweiten Rang sicherte sich die Kroatin Zrinka Ljutic, die auch nur eine Zehntelsekunde vor Gisin ins Ziel rettete. Emma Aicher belegte als zweitbeste Deutsche einen guten siebten Rang (+1,91).
Den Riesenslalom am Vortag hatte Shiffrin ausgelassen, da sie noch nicht wieder schmerzfrei Skifahren konnte – und kein unnötiges Risiko eingehen wollte. Den noch vor wenigen Wochen greifbaren und zwischenzeitlich nur noch theoretisch möglichen Sieg im Gesamt-Weltcup hatte sie damit abgeschrieben.
„Es ging um Leben und Tod“
Vor ihrem Sturz in der Abfahrt von Cortina d’Ampezzo am 26. Januar hatte Shiffrin die Gesamtwertung deutlich angeführt – zwischenzeitlich musste sie aber elf Rennen aussetzen und ist mit nun 1309 Punkten auf Rang drei hinter der Schweizerin Lara Gut-Behrami (1654) und der Italienerin Federica Brignone (1372) zurückgefallen. „Ich hätte gerne um den große Kristallkugel mitgekämpft“, bekannte die fünfmalige Gesamtweltcup-Siegerin in Are. Aber realistischerweise müsse sie fragen: „Wo stehe ich?“
Letztlich müsse sie sich noch glücklich schätzen, dass sie sich bei ihrem heftigen Sturz „nur“ eine Innenbandverletzung im linken Knie zugezogen hatte und sie noch in der laufenden Saison zurückkommen konnte, obgleich sie noch mit Schmerzen zu kämpfen hatte.
Allerdings waren ihre Probleme nur Lappalien im Vergleich zu dem Leid ihres Freundes Aleksander Aamodt Kilde. „Es ging um Leben und Tod“ berichtete Shiffrin dieser Tage anschaulich Kildes Zustand in den ersten Stunden nach dessen kapitalem Crash in der Abfahrt von Wengen am 13. Januar. Shiffrin hatte das Rennen im Fernsehen gesehen und war unmittelbar in die Klinik nach Innsbruck geeilt, um ihm zur Seite zu stehen. „Holy shit“ war ihre erste Reaktion. Seine Verletzung am Bein nur als „Cut“ zu bezeichnen, sei ein Witz, sagte Shiffrin über Kildes Verletzung, bei der Nerven und Muskeln durchtrennt wurden.
Dass sie selbst dann kurz danach ebenfalls in Reha musste, kann als böse Ironie des Schicksals angesehen werden – das Power-Couple des alpinen Skirennsports als Reha-Paar. Zwischenzeitlich dachten beide daran, mit diesem „lebensgefährlichen“ Sport aufzuhören. Doch mittlerweile haben sich die Gedanken wieder gedreht. Kilde konnte nach Wochen im Rollstuhl wieder die ersten Gehversuche unternehmen, was beweist, welch starker Kämpfer er ist. Und Shiffrin nutzte die Rennpause dafür, sich am Klavier zu verbessern. Gitarre spielt sie sowieso. Zeit bestmöglich nutzen – so lautet ihre Message. Nicht nur zwischen den Slalomstangen.