Carl Blechens „Kirchenruine in Wald und Sumpf“ ist ein Meisterstück der farbigen Suggestion. Im Vordergrund steht Maria als Himmelskönigin mit Schleier und Krone auf einem Sockel zwischen hohem Schilf und Gebüsch. Dahinter, im Zentrum des Bildes, ragt ein von Säulen und Pfeilern getragenes Gewölbe aus bläulich glitzerndem Wasser. In der Wölbung über der mittleren Säule erkennt man schemenhaft die Statuengruppe der Jungfrau mit dem Kind. Die hell beleuchtete Zone in der Bildmitte aber entsteht durch das Abendglühen, das durch einen Pfeiler verdeckt von rechts hinten über die Szene fällt. Es zieht ein Lichtband von den Baumwipfeln im Hintergrund über die glitzernde Wasserfläche bis zu den Gräsern am Fuß des Marienstandbilds. Es streichelt die Formen, bis sie zu schimmern beginnen.
In der Kabinettausstellung über Carl Blechen und die Sammlerfamilie Frick im Pücklerschloss Branitz bei Cottbus wird Blechens Ölbild auf 1826 datiert, zwei Jahre vor dem Aufbruch des Malers zu seiner großen Italienreise, von der er als Meister der vorimpressionistischen Landschaft zurückkehren sollte. Der Ausstellungskatalog nennt dagegen keine Jahreszahl, und vielleicht ist diese Zurückhaltung klüger als das Stochern im Datierungsnebel. Bei Blechen sind romantische und realistische Bildelemente nur schwer zu trennen, auch wenn nach seiner Rückkehr aus Italien der Wirklichkeitssinn die Oberhand gewinnt.
Aber so weit von der „Kirchenruine“ ist etwa die Ölskizze „Waldlichtung“ nicht entfernt, dass man sie, wie in Branitz, acht Jahre später ansetzen möchte. In der „Waldlichtung“ ist das Abendlicht nach links verschoben und die steinerne Architektur der Kirche durch die hölzerne der Baumstämme ersetzt, aber die Dramaturgie des Bildes folgt einem ganz ähnlichen Muster. Zwei Jäger kauern hinter einem Felsblock; einer von ihnen legt auf ein Reh an, das zwischen den Bäumen hervortritt. Auch hier sorgt ein Teich im Vordergrund für Bewegung, und an den Ästen rüttelt der Wind. Das verzauberte Stillleben der Kirchengewölbe ist zur Momentaufnahme der Stille vor dem Schuss geronnen. Aus beidem spricht ein malerischer Blick, der seiner Zeit weit voraus vor.
Vorreiter der Moderne in seiner Sparte
Die „Kirchenruine“ und die „Waldlichtung“ gehören zu einem Konvolut von vier Gemälden, die die Stiftung Fürst-Pückler-Museum 2017 als Schenkung von der Witwe des Urenkels des Malers und Blechen-Sammlers Friedrich August Frick (1814 bis 1879) erhalten hat. Dessen Vater Johann Friedrich Frick wiederum war ein Pionier der Aquatinta-Grafik in Deutschland. Teile seines Nachlasses, der an die Berliner Akademie der Künste ging, werden in Branitz erstmals gemeinsam mit den neu erworbenen Bildern ausgestellt. Das verleiht der Präsentation der Blechen-Werke, mit denen die im Krieg schwer geschädigte Sammlung eine weitere Lücke in ihren Beständen schließt, eine zusätzliche historische Dimension.