Bundeskanzler Olaf Scholz hat jegliche Forderungen nach dem Bau neuer Atomkraftwerke kategorisch zurückgewiesen. Begleitet von Applaus, aber auch Buh-Rufen und Pfiffen hat er am Freitag auf dem Münchner Marienplatz die Politik der Bundesregierung sowie die Ukraine-Politik samt der Waffenlieferungen gegen Dauerkritik von Rechts verteidigt. Die Stimmung war sowohl während der SPD-Wahlkampfveranstaltung als auch bereits lange vor dem Auftritt sehr gereizt; dieser fand unter großen Sicherheitsauflagen statt.
Wer einen Kernwerkneubau fordere, der verkenne die Bauzeit von 15 Jahren, die Kosten von 15 bis 20 Milliarden Euro und eine Fertigstellung „irgendwie Ende der 30er Jahre mit Strompreisen, die beim Doppelten bis Dreifachen dessen liegen, was wir bezahlen müssen mit den erneuerbaren Energien, die wir dann längst flächendeckend ausgebaut haben“, sagte der SPD-Politiker.
„Herzliche Grüße an die bayerische Landesregierung“
Unter anderem die Union, die AfD, aber auch die im Bund mitregierende FDP fordern eine längere Nutzung der Kernenergie und hatte sich im Zuge des Atomausstiegs in diesem Frühjahr für einen Weiterbetrieb der alten Meiler ausgesprochen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zudem angekündigt, er wolle einen neuen Reaktor zur Erforschung der Kernfusion in Bayern bauen.
Scholz machte zudem den langsamen Ausbau der Stromtrassen in Bayern für die hohen Strompreise mitverantwortlich. „Und wäre es so, dass die großen Stromleitungen aus dem Norden und Osten Deutschlands schon in den Südwesten gebaut wären, dann hätten wir jetzt schon geringere Strompreise. Herzliche Grüße an die bayerische Landesregierung.“
Mit aller Kraft habe sich die bayerische Staatsregierung gegen den schnellen Ausbau der Stromtrassen gestemmt, kritisierte Scholz. „Und wir stemmen uns jetzt mit aller Kraft dafür auf, dass wir es schaffen, dass sie doch schneller gebaut werden. Denn das hilft hier in Bayern. Das hilft in Baden-Württemberg. Das hilft in Hessen ganz schnell, wenn wir das tun.“
Weil die Leitungen jedoch aktuell nicht zur Verfügung stünden, müsse in Deutschland jetzt viel Geld ausgegeben werden, um Gaskraftwerke in Süddeutschland anzuwerfen. Nur mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien könnten auch die Preise sinken, sagte Scholz.
Gleich zum Auftakt verteidigte der Bundeskanzler die Waffenlieferungen an die Ukraine: Es sei richtig, dass Deutschland und viele andere Staaten ein Land gegen einen imperialistischen Angriff unterstützten. „Dazu gehört auch, dass wir Waffen liefern.“ Die Waffenlieferungen würden sorgfältig geprüft und zu diesen Prüfungen gehöre auch der Aspekt, einer Eskalation zwischen Russland und der NATO vorzubeugen.
An die Adresse der Kriegsgegner sagte Scholz, dass es nichts mit Friedensliebe zu tun habe, den Ukrainern zu sagen, dass sie ihr Land einfach erobern lassen sollten. Wer als Friedenstaube auf dem Platz umherlaufe, sei ein „gefallener Engel aus der Hölle“, der dem Kriegstreiber Putin das Wort rede.
Scholz hatte sich jüngst immer wieder Pfiffe und Kritik bei öffentlichen Auftritten anhören müssen, so etwa in dieser Woche in Frankfurt oder im brandenburgischen Neuruppin. Die Kritik richtet sich auch hier unter anderem gegen die Energie- und Klimapolitik sowie Waffenlieferungen an die Ukraine.