Im Norden beschränkte man sich militärisch lange selbst. Ein Credo des Kalten Krieges lautete, dass die NATO-Mitglieder Norwegen und Dänemark sich in militärischer Zurückhaltung üben, damit die Sowjetunion sich gegenüber den neutralen Staaten Schweden und Finnland zurückhält.
Oslo wie Kopenhagen untersagten daher die Stationierung ausländischer Truppen in Friedenszeiten und die Lagerung von Atomwaffen auf eigenem Gebiet. Dänemark untersagte zudem NATO-Marineübungen östlich von Bornholm, und Norwegen schränkte anfangs Militärflüge stark ein. Immer noch gibt es keine norwegischen militärischen Aufklärungsflüge östlich des Porsangerfjords, der neben dem Nordkap liegt. Dabei verfügt Russland auf der angrenzenden Kolahalbinsel über wichtige Militäreinrichtungen.
Ob das zur Entspannung beitrug, ist strittig. Fest steht, dass die Zurückhaltung einseitig war – die Sowjetunion und später Russland agierten in der Region keineswegs deeskalierend. Der große Nachbar provozierte und provoziert weiterhin. Erst kürzlich führte die russische Nordmeerflotte Raketenübungen in Norwegens Wirtschaftszone nördlich der Varanger-Halbinsel durch.
Die Verhandlungen sind geheim
In Norwegen wie in Dänemark wird angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine derzeit darüber diskutiert, auch die letzten Reste der selbstauferlegte Zurückhaltung aufzugeben. Russlands Angriffskrieg war ein Weckruf, auch in Nordeuropa, der die sicherheitspolitische Landschaft grundlegend veränderte: Finnland trat jüngst der NATO bei. Bald folgt wohl auch das bisher ebenfalls bündnisfreie Schweden. Zudem suchen die nordischen Staaten die Verbindungen mit Amerika zu vertiefen wo es nur geht.
Ein wichtiger Schritt sind dabei bilaterale Abkommen zur Verteidigungskooperation, Defense Cooperation Agreements (DCA) genannt. Norwegen schloss im vergangenen Jahr ein solches Abkommen mit den USA; Finnland, Schweden sowie Dänemark verhandeln derzeit jeweils bilateral mit Washington. Die Abkommen legen die Spielregeln für eine amerikanische Militärpräsenz fest; es geht um die Stationierung von Truppen, Waffen und Material in Friedenszeiten. So können die Amerikaner schneller und flexibler ihre Truppen in Osteuropa verstärken – etwa wenn es im Baltikum zu einem Konflikt kommen sollte. Für die Gastländer stellen die Vereinbarungen sicher, dass Washington ihnen gegenüber seine Sicherheitsgarantien effektiv umsetzen kann.
Die Verhandlungen sind geheim, in allen drei Ländern dringt kaum etwas nach außen. Aber in Kopenhagen, Stockholm und Helsinki wird angenommen, dass das Abkommen mit Norwegen jeweils als Vorbild dient. Dieses erlaubt den USA den Bau von Einrichtungen und die Stationierung von Waffen – bisher auf vier bestehenden norwegischen Militärstützpunkten, zu denen die Amerikaner nun laut Vertrag „ungehinderten“ Zugang haben.
Dänemark kann sich nicht selbst verteidigen
Die Stationierung von Atomwaffen bleibt untersagt. Norwegen profitiert im Gegenzug von Investitionen. So hat Washington etwa angekündigt, 188 Millionen Dollar in den Luftwaffenstützpunkt Rygge zu investieren. Norwegen gibt mit dem Abkommen einen Teil seiner Souveränität auf – amerikanische Soldaten, die in Norwegen ein Verbrechen begehen, sind zwar norwegischem Recht unterworfen, doch übernimmt Amerika die strafrechtliche Verfolgung.
In Dänemark habe man einst, wie in Norwegen, als kleiner NATO-Mitgliedstaat einen Mittelweg gesucht zwischen der Angst, im Stich gelassen zu werden und der Sorge, durch zu provokatives Agieren gegenüber Russland das Kriegsrisiko zu erhöhen, sagt Peter Viggo Jakobsen, der an der Dänischen Verteidigungsakademie lehrt. Heute erhöhe aus dänischer Sicht eine hohe Loyalität zu Amerika nicht das Kriegsrisiko, im Gegenteil.
Hinzu komme, dass Dänemark ähnlich wie die Bundesrepublik seit den neunziger Jahren seine militärischen Fähigkeiten gravierend reduziert habe. „Wir können uns nicht selbst verteidigen“, sagt Jakobsen. Wenn irgendwann die dänischen F-16-Kampfflugzeuge gegen F-35 ausgetauscht seien, bekomme das Land „an einem guten Tag“ fünf bis fünfzehn Stück zusammen. „Das ist keine Luftwaffe.“ In dieser Situation könne man den Amerikanern nicht sagen, man komme gut alleine klar.
Ohnehin verringert sich mit dem NATO-Beitritt Finnlands und bald wohl auch Schwedens die strategische Bedeutung Dänemarks im Ostseeraum. Amerikanische Truppen könnten im Konfliktfall an Schwedens Westküste anlanden, anstatt in Dänemark – also ist man in Kopenhagen bereit, zu nehmen, was eben geht. Bisher aber sind die Verhandlungen wohl nicht weit gediehen. „In Dänemark wird viel geredet und alles braucht lange, da sind wir nicht so anders wie ihr Deutschen, dafür muss man sich nur die Zeitenwende anschauen“, sagt Jakobsen lachend.