Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol wird auch für den Rest seiner Amtszeit gegen eine satte Oppositionsmehrheit im Parlament regieren müssen. Die Kräfte um die Demokratische Partei (DP) gewannen bei der Parlamentswahl am Mittwoch 175 der dreihundert Abgeordnetensitze und damit ähnlich viele wie vor vier Jahren. Yoon und seine konservative People Power Party (PPP) erzielten 108 Sitze und damit weniger als bislang.
Sie werden ihre innenpolitischen Vorhaben bis zum Ende von Yoons Amtszeit 2027 kaum mehr durchsetzen können. Eine Zweidrittelmehrheit erreichte die Opposition jedoch nicht, die das Veto des Präsidenten brechen und Verfassungsänderungen an der Regierung vorbei durchsetzen könnte.
PPP-Parteichef Han Dong-hoon, Ministerpräsident Han Duck-soo und weitere ranghohe Beamte im Regierungsapparat boten am Donnerstag ihren Rücktritt an. Yoon stand zwar nicht zur Wahl, doch ist sein zum Amtsantritt vor zwei Jahren gegebenes Versprechen, volksnäher zu regieren, dramatisch gescheitert.
Yoon konnte keine neuen Wähler mobilisieren
Yoons außenpolitische Erfolge, die Vertiefung der Allianz mit den Vereinigten Staaten und die gegen innere Widerstände angetriebene Annäherung an Japan, spielten für die Wähler eine geringere Rolle. Wahlentscheidender waren die hohe Inflation, gestiegene Lebenshaltungskosten und soziale Fragen.
Zum erfolgreichen Wahlkampfschlager seiner Gegner wurden ausgerechnet Frühlingszwiebeln. Bei einem Besuch eines Marktes kurz vor dem Wahltag offenbarte Yoon, dass er keine Ahnung hatte, wie viel das Gemüse kostet. Das Wedeln mit Frühlingszwiebeln verbreitete sich auf Veranstaltungen seiner Gegner so sehr, dass die Wahlkommission das Mitbringen von Zwiebeln ins Wahllokal verbot.
Jenseits der konservativen Kernwähler konnte seine Partei keine neuen Wählerschichten mobilisieren. Im Gegenteil. Insbesondere Frauen verprellte der Präsident mit der Aussage, dass „strukturelle Diskriminierung von Frauen nicht mehr existiert“, das Gleichstellungsministerium ließ er vakant. So war die Parlamentswahl auch eine Abrechnung mit der Politik des Präsidenten. Und Yoons Zustimmungswerte bewegen sich seit Langem deutlich unter vierzig Prozent. Die Präsidentenwahl 2022 hatte er mit weniger als einem Prozentpunkt Unterschied gegen die Demokratische Partei (DP) gewonnen, und seither sinken Yoons Beliebtheitswerte rapide.
Luxustasche für die First Lady
Unterboten werden sie noch von seiner Frau Kim Keon-hee, der vorgeworfen wird, Aktienkurse manipuliert, ihre Abschlussarbeit abgeschrieben und gegen Antikorruptionsgesetze verstoßen zu haben, als sie vor ein paar Monaten die Handtasche einer Edelmarke zum Geschenk annahm, was auf Video festgehalten wurde. Im Januar dann hatte Präsident Yoon sein Veto gegen einen von der Oppositionsmehrheit eingebrachten Gesetzentwurf eingelegt, der eine Untersuchung der vorgeblichen Aktienmanipulation nach sich gezogen hätte.
Das steigerte die Beliebtheit des Präsidentenpaares ebenso wenig wie die Verleumdungsklagen des Präsidialamts gegen kritische Journalisten. Die konservative Zeitung „Chosun Ilbo“ begründete die Niederlage der PPP denn auch mit der „arroganten und unkommunikativen Führung“ von Yoon.
Dass fragwürdige Machenschaften auch in der Opposition nicht unbekannt sind, zeigte der Fall des Vorsitzenden der Demokratischen Partei, Lee Jae-myung, der wegen Bestechung angeklagt ist. Lee bestreitet die Vorwürfe und spricht von politischer Verfolgung und einer „Staatsanwaltsdiktatur“, da Präsident Yoon, ein ehemaliger Generalstaatsanwalt, Staatsanwaltsstellen mit Gefolgsleuten besetzt habe. Durch den Wahlsieg im Parlament könnte Lee nun auch ein zentrales außenpolitisches Vorhaben Yoons hemmen: die vom Präsidenten beförderte Annäherung an den historischen Erzfeind Japan. In dieser Frage tritt die Demokratische Partei oft antijapanisch, nationalistisch und populistisch auf.
Opposition könnte Regierungsprojekte blockieren
Ähnliches gilt für den Vorsitzenden einer dritten Kraft, der Partei für den Wiederaufbau Koreas (RKP), die aus dem Stand auf zwölf Sitze kam. RKP-Chef Cho Kuk ist ein früherer Justizminister, der wegen Korruption zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, aber die Haft noch nicht angetreten hat, weil er dagegen Berufung eingelegt hat und ebenfalls von politischer Verschwörung gegen sich spricht.
Die zwölf Sitze seiner Partei könnten nun eine entscheidende Rolle spielen, wenn er wie erwartet mit der Demokratischen Partei stimmt. Denn zusammen hätten die Oppositionskräfte eine Dreifünftelmehrheit von 180 Sitzen, die nötig ist, um eigene Gesetze auf den Weg zu bringen. Nach Ansicht des Korea-Kenners Victor Cha könnte die Zusammenarbeit eine Reihe politischer Oppositionsmanöver nach sich ziehen, wie Amtsenthebungsverfahren gegen Schlüsselfiguren der Regierung.
Somit blieb ebenfalls fraglich, ob Yoon seine geplante Gesundheitsreform durchbringen kann, die unter anderem die Zahl der Krankenhausärzte vergrößern soll, wogegen viele der eingesessenen Ärzte seit Wochen streiken. Angesichts der dramatischen demographischen Lage in einem rapide alternden Land mit der niedrigsten Geburtenrate der Erde scheint das vielen auch notwendig. Ungewiss bleibt, ob die zerstrittenen Lager sich darauf einigen können.
Der DP-Vorsitzende Lee sagte, „Regierungs- und Oppositionsparteien müssen ihre Kräfte bündeln, um die wirtschaftliche Lage der Verbraucher zu verbessern.“ Yoon wiederum habe „demütig den Willen der Öffentlichkeit akzeptiert“, sagte sein Stabschef und kündigte Reformen an. Weitgehend unberührt von oppositioneller Einflussnahme ist für Yoon weiterhin die Außenpolitik. Darauf dürfte er sein Vermächtnis in den verbleibenden drei Jahren seiner Amtszeit anlegen.