Sportler gibt’s, die werden vom Erfolg beflügelt. Novak Djokovic ist so einer, der nie genug bekommt, der nach jedem Turniersieg sofort nach dem nächsten giert. Und dann gibt’s die anderen, die sich schwertun, einen Triumph zu verarbeiten. Die vom Erfolg überwältigt werden, tief ins Motivationsloch fallen und mit zunehmender Verzweiflung versuchen, sich daraus zu befreien. Ein solcher Typ ist Dominic Thiem. Vielleicht ist er es jetzt auch nicht mehr.
Als der Österreicher am Montagnachmittag New Yorker Ortszeit die Arme in die Luft reckte, schien er wieder angekommen in der heilen Tenniswelt. Drei Jahre nach seinem US-Open-Triumph, als er im Endspiel gegen Alexander Zverev einen 0:2-Satzrückstand wettmachte, hatte Thiem die ebenso bohrenden wie langwierigen Selbstzweifel endgültig hinter sich gelassen und wieder mal ein Tennisspiel in New York gewonnen.
Zudem war das in seiner Deutlichkeit überraschende 6:3, 6:2, 6:4 gegen den Kasachen Alexander Bublik der erste Matchgewinn bei einem Grand-Slam-Turnier nach zuvor sechs vergeblichen Anläufen. Er musste mentale Probleme bewältigen, dies sei „ein guter Weg für mich“ gewesen, sagte Thiem: „Ich habe viel gelernt, auch wenn es sportlich gesehen nicht einfach war.“
„Nicht mehr derselbe Job“
Die Handgelenkoperation, die er zwischenzeitlich zu überstehen hatte, sei das kleinere Übel gewesen. Das größere trat auf, sobald er zu einem Match antreten musste. „Ich habe nicht mehr denselben Job gemacht wie vor der Verletzung.“ Mit Hilfe seines neuen Coaches, dem Deutschen Benjamin Ebrahimzadeh, wurde der Geist wieder willig und die Vorhand wieder stark. Anfang August erreichte Thiem das Finale von Kitzbühel, in der Weltrangliste steht er auf Platz 81 und damit so hoch wie seit April 2022 nicht.
Über den Durchbruch hinaus hatte Thiems New Yorker Erstrundensieg ein besonderes Geschmäckle. Zum einen, weil der Österreicher unter einer Entzündung der Magenschleimhaut litt und sich erbrechen musste. Vor allem aber, weil der stets zwischen Genie und Irrsinn wandelnde Bublik sich wieder mal einen Ausfall leistete. Ins Stubenreine übersetzt, fluchte der 27. der Weltrangliste darüber, dass er es satt habe, invaliden Kerlen bei ihrer Karriere zu helfen.
Thiem, der am Mittwoch in der zweiten Runde auf den Amerikaner Bryan Shelton trifft, wollte dies nicht kommentieren. Er will Taten sprechen lassen: „Ich habe das Gefühl, dass noch ein großer Wurf drin ist.“ Am Sonntag wird Thiem 30 Jahre alt. Zu jung, um sich als „One Slam Wonder“ von New York 2020 zur Ruhe zu setzen.