Eine einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichts in Weimar ermöglicht dem Thüringer Parlament den Weg aus der Krise und die Wahl eines Landtagspräsidenten. Die CDU-Fraktion, die ihre parlamentarischen Rechte durch den Alterspräsidenten der AfD, Jürgen Treutler, stark eingeschränkt sah, ist mit ihrem Antrag beim Verfassungsgericht größtenteils erfolgreich. In einer Eilentscheidung setzten die Verfassungsrichter dem massiv in der Kritik stehenden AfD-Alterspräsidenten klare Regeln.
Er muss das Parlament nun über eine aktualisierte Tagesordnung abstimmen lassen. Der Landtag darf zudem noch vor der Wahl der Landtagsspitze seine Geschäftsordnung ändern. Der Beschluss des Gerichts erging einstimmig. An diesem Samstag will das Parlament in Erfurt abermals zusammentreten.
In ihrem Beschluss gaben die Verfassungsrichter auch eine Art Regieanweisung zum Ablauf der Sitzung: Treutler muss demnach die vorläufigen Schriftführer ernennen, die Beschlussfähigkeit des Landtags feststellen und die von der bisherigen Landtagspräsidentin vorgelegte Tagesordnung von Mitte September zur Abstimmung stellen. Anschließend soll die Sitzung in der Reihenfolge der beschlossenen Tagesordnung fortgesetzt werden. Die AfD und Treutler hatten zuvor eine andere Rechtsauffassung vertreten.
Tauziehen um Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten
Das Gericht stellte laut Mitteilung klar, dass die Abgeordneten das Recht haben, auch in der konstituierenden Sitzung über die Tagesordnung zu bestimmen. „Damit ist auch eine Debatte und Beschlussfassung über eine Änderung der Geschäftsordnung bereits vor der Wahl des Landtagspräsidenten zulässig.“ Die Verfassungsrichter erklärten: „Die beabsichtigte Regelung, die vorsieht, dass sämtliche Fraktionen – und nicht allein die stärkste Fraktion – bereits für den 1. Wahlgang Wahlvorschläge für die Wahl des Landtagspräsidenten unterbreiten dürfen, verletzt Verfassungsrecht nicht.“
Die CDU hatte das höchste Thüringer Gericht als letztes Mittel angerufen nach einer chaotischen Landtagssitzung am Donnerstag mit einer Vielzahl von Unterbrechungen und der Verweigerung von Rede- und Antragsrechten durch Treutler. Ihrem Antrag schlossen sich auch BSW, Linke und SPD an.
Hintergrund ist ein Tauziehen um das Vorschlagsrecht für die Besetzung des Präsidentenamtes. Die AfD besteht bisher auf der Besetzung des zweithöchste Staatsamt in Thüringen, weil sie erstmals in einem deutschen Landesparlament die stärkste Fraktion stellt. Sie sträubt sich gegen einen Antrag von CDU und BSW, wonach alle Fraktionen Personalvorschläge bereits im ersten Wahlgang unterbreiten könnten.
Der chaotische Verlauf der Landtagssitzung und das Agieren der AfD hatten bundesweit für Aufsehen und Kritik gesorgt. Der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner warf der AfD vor, die Sitzung instrumentalisiert zu haben, „um ein bisschen die Demokratie, die Geschäftsordnung und vielleicht auch die Thüringer Verfassung vorzuführen und die Grenzen auszutesten“.
Für Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) zeigt die Krise im Thüringer Landtag, dass die AfD keine Partei ist, die Verantwortung tragen sollte. Sie sagte am Rande einer Bundesratssitzung in Berlin: „Jeder Bürger, jede Bürgerin muss wissen, das Chaos, was die AfD anrichtet, diese Willkür, wird herrschen in jedem Bereich unseres Lebens, ob im Bereich der Gesundheit, ob im Bereich der Bildung und der Wirtschaft, wenn die AfD in Regierungsverantwortung kommt.“ Thüringens Linke-Fraktionschef Christian Schaft warf der AfD einen „Putschversuch gegen die Demokratie“ vor.
Über den Wahlpassus in der Geschäftsordnung wurde bereits im Frühjahr im Thüringer Landtag auf Initiative der Grünen diskutiert, um Chaos bei der Wahl des Landtagspräsidenten zu verhindern. Allerdings hatte sich dafür keine Mehrheit im Parlament abgezeichnet. Stattdessen hatte es eine Einigung im Ältestenrat für ein Verfahren gegeben, an das sich die AfD nun aber nicht gebunden fühlt. Die AfD hatte sich damals nach eigenen Angaben enthalten.
Der Landtagspräsident repräsentiert in Thüringen das Parlament, er kann den Landtag jederzeit einberufen und leitet die Landtagsverwaltung. Bei einer Ministerpräsidentenwahl ist der Präsident oder die Präsidentin für den formal reibungslosen Ablauf zuständig.