Pellegrino Matarazzo wusste seit Saisonbeginn, dass sein Job als Cheftrainer bei der TSG Hoffenheim auf tönernen Füßen steht. Daran änderte auch die Qualifikation für die Europa League nichts. Der 46 Jahre alte US-Amerikaner stand dem Vernehmen nach noch nie in der Gunst des mächtigen Klubmäzens Dietmar Hopp, dessen Wort bei wichtigen Entscheidungen des in die Abstiegszone gerutschten Vereins noch immer zählt. Seit Montag ist Matarazzo nicht mehr für die Mannschaft verantwortlich.
Was Andreas Schicker, der österreichische Geschäftsführer nach dem 0:0 am Sonntag beim FC Augsburg andeutete, ist die neue Wirklichkeit im Kraichgau. Der angekündigte Dialog zur aktuellen Situation der Hoffenheimer wurde zum Abschiedsgespräch. Matarazzo war seit dem 8. Februar 2023 für das Wohl und Wehe seines Teams verantwortlich.
Nach Peter Zeidler, dem Kurzzeittrainer des VfL Bochum, wurde Matarazzo als zweiter Bundesligatrainer in dieser Saison entlassen, ebenso wie auch dessen Ko-Trainer Michael Kammermeyer. Darauf schien der fachlich untadelige Fußballlehrer schon am Sonntag vorbereitet zu sein, als Matarazzo sagte: „Ich weiß nicht, was kommt, aber ich fürchte nichts. Ich mache meinen Job so gut es geht.“
Keine ergebnisoffene Analyse mehr
Nach Ansicht seines Vorgesetzten Schicker, der erst vor kurzem den bis dahin vakanten Job des im Sommer gefeuerten Sportgeschäftsführers Alexander Rosen übernommen hat, war es nicht mehr gut genug. „Fakt ist, dass wir nach zehn Spielen erst neun Punkte haben“, sagte er am Sonntag gegenüber dem Streamingdienst DAZN, „wenn du diesen Schnitt spielst, bist du in Abstiegsgefahr. Das ist der Schnitt, der am Ende nicht ausreichend ist.“ Am Montag wusste auch Matarazzo, dass eine ergebnisoffene Analyse der bisherigen Hoffenheimer Saison nicht mehr auf Schickers Agenda stand.
Den Verein kostet die Trennung relativ wenig, läuft Matarazzos Vertrag bei der TSG Hoffenheim ohnehin nur noch bis zum 30. Juni 2025. Der Cheftrainer verabschiedete sich gentlemanlike: „Leider ist die Zeit gekommen, getrennte Wege zu gehen. Ich werde immer auf eine lehrreiche Zeit zurückblicken, die durch unterschiedliche Herausforderungen und tolle Erfolgsmomente geprägt war“, ließ sich Matarazzo in der Pressemitteilung zitieren: „Ich bin stolz darauf, mit dieser Mannschaft und einem Trainerteam gearbeitet zu haben, die bereit waren, miteinander und füreinander durchs Feuer zu gehen.“
Einen Nachfolger des beim VfB Stuttgart vor 21 Monaten entlassenen Bundesliga-Aufstiegstrainers 2020 suchen sie ab sofort mit Nachdruck. Ganz oben auf der Kandidatenliste steht der Österreicher Christian Ilzer, der beim österreichischen Meister Sturm Graz noch bis zum 30. Juni 2026 unter Vertrag steht.
Dem Verein also, für den Schicker als Sportchef jahrelang tätig war, ehe er von der österreichischen in die deutsche Bundesliga wechselte. Dem Verein, aus dem der von Schicker inzwischen nach Hoffenheim geholte Vertraute Paul Pajduch als neuer Technischer Direktor kam. Die TSG überlegt nun, wie und ob sie als Dritten im Bunde auch Ilzer gegen eine Transfergebühr verpflichten kann.
Ein zweiter Trainerkandidat arbeitet in der Nachbarschaft erfolgreich: Christian Eichner, der den Traditionsverein Karlsruher SC wieder zu einem Zweitliga-Spitzenklub geformt hat. Eichners Vertrag läuft im Sommer aus. Vorerst sind aber Matarazzos Assistenztrainer Frank Fröhling und Benjamin Hübner, vor ein paar Jahren noch ein resoluter Innenverteidiger der TSG, gefordert, die Mannschaft auf Touren und aus der Abstiegszone heraus zu bringen.
Dass sich der Hoffenheimer Kapitän Oliver Baumann am Wochenende für Kontinuität auf der Trainerposition stark gemacht hatte („Ich bin immer dafür, das, was positiv läuft, nicht wegzuschmeißen“), ist inzwischen überholt. Die Oberen in diesem unruhigen Klub dachten und handelten anders.