Seit Jahrzehnten schottet die Europäische Union ihre Autohersteller mit einer Zollmauer von zehn Prozent vor der ausländischen Konkurrenz ab. Die Mauer hat nur wenige Löcher und in Richtung Vereinigte Staaten gar keine. Doch wenn der künftige amerikanische Präsident Donald Trump droht, die heimische Industrie mit einem Einfuhrzoll von 10 oder 20 Prozent zu schützen, schreien die Europäer „Foul“. Das passt nicht zusammen. Die Europäer und die Deutschen pflegen einen sehr einseitigen Blick auf den transatlantischen Handel. Sie sitzen im Glashaus und werfen mit Steinen.
Nun denkt Trump nicht nur an Schutzzölle für die Automobilwirtschaft, sondern an einen generellen Einfuhrzoll auf alle Güter von 10 oder 20 Prozent, im Fall Chinas gleich von 60 Prozent. Käme es dazu, würde die globale Handelsliberalisierung um Jahrzehnte zurückgeworfen. Andere Staaten würden reagieren und es drohte eine drastische Desintegration der Weltwirtschaft, zum Schaden der Amerikaner und aller anderen. Es wäre ein weiterer Schlag gegen die Welthandelsordnung, die sich davon nur schwer erholen dürfte. Das ist die große Gefahr der zweiten Amtszeit von Trump, dass er die Fundamente der Freihandelsidee weiter untergräbt.
Trump gefällt sich als „Dealmaker“
Ob es zu dem von Trump skizzierten Zollschranken kommt, ist derzeit völlig offen. Seine erste Amtszeit hat gezeigt, dass Trump sich als „Dealmaker“ gefällt, der in bilateralen Verhandlungen Geschäfte macht. Die angedrohten Zölle von 10 oder 20 Prozent sind so auch Drohkulisse, um von den Europäern Zugeständnisse für Marktöffnungen oder für weitere Blockaden gegen China zu erlangen. Sollte in transatlantischen Verhandlungen dann der europäische 10-Prozent-Zoll auf amerikanische Autos fallen, hätte Trump auch noch etwas für die europäischen Konsumenten erreicht. Sie könnten amerikanische Autos künftig billiger kaufen.
Doch bleibt die große Gefahr, dass Trump mit seinem merkantilistischen Denken die Welthandelsordnung endgültig unterhöhlt. Die Europäer sind kein Bollwerk dagegen. Mit den Zöllen auf chinesische Elektroautos, der Idee des „De-Risking“ und dem Versuch, sich technologisch von China zu trennen, folgen sie im Prinzip der amerikanischen Logik, sich von China abzukoppeln. Die Gefahr für eine globale Handelsordnung geht nicht nur von Amerika, sondern auch von Europa aus.
Weitaus geringer ist dagegen das in Deutschland und Europa an die Wand gemalte Risiko, dass Trump in den kommenden Jahren der hiesigen Wirtschaft großen Schaden zufügen werde. Das wäre ohne Frage so, sollte Trump die amerikanische Unterstützung für die Ukraine einstellen und den europäischen Kontinent in Unordnung stürzen. Rein wirtschaftlich betrachtet ist die Sache aber bei weitem nicht ausgemacht. Trump nur als Wirtschaftsrisiko zu sehen ist zu einseitig.
Zollfanatiker und Angebotspolitiker
Der gewählte Präsident ist nicht nur Zollfanatiker, sondern auch Angebotspolitiker. Er verspricht eine drastische Deregulierung und denkt daran, die Unternehmenssteuern von 21 auf 15 Prozent zu senken. (Zur Erinnerung: In Deutschland sind es fast 30 Prozent.) Auch hier gilt, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es auf den Tisch kommt. Doch wie in seiner ersten Amtszeit würde eine deutliche Steuersenkung die amerikanische Wirtschaft beleben und zusätzliche Nachfrage nach Produkten aus aller Welt entfachen. Amerika zöge Kapital an, der Dollar wertete auf und das amerikanische Leistungsbilanzdefizit könnte sich noch vergrößern. Dass die Steuersenkung zu einem Großteil wohl schuldenfinanziert sein würde, stünde dem nicht im Wege. Das amerikanische Privileg, in unsicheren Zeiten mit dem Dollar einen sicheren Hafen zu bieten, dürfte trotz der verantwortungslosen Schuldenpolitik in Amerika nicht so schnell kippen.
So betrachtet ist die größte Herausforderung Deutschlands und Europas nach dem Wahlsieg von Trump nicht dessen Zolldrohung, sondern seine Angebotspolitik. Der Standortwettbewerb wird intensiver, weil es für hiesige Unternehmen es attraktiver werden wird, Produktionsstätten in den Vereinigten Staaten zu errichten. Der große Vorteil ist, dass Deutschland und Europa der Trumpschen Angebotspolitik nicht hilflos gegenüberstehen. Anders als gegen Zollschranken kann Europa sich nicht nur defensiv wehren, sondern durch eigene Deregulierung und Steuersenkung den heimischem Standort und das hiesige Wachstum stärken. Lassen die hiesigen Regierungen sich darauf ein, kann der Wahlsieg von Trump sich als wirtschaftlicher Vorteil für Europa herausstellen.