Noch sind es nicht die neun Verfassungsrichter, die sich der Causa Donald Trump annehmen. An diesem Dienstag befasst sich zunächst ein Berufungsgericht in Washington mit der Frage des Umfangs präsidentieller Immunität. Konkret geht es um die Frage, ob Trump, der unter anderem wegen Verschwörung und versuchten Wahlbetrugs in der Präsidentenwahl 2020 angeklagt ist, auf Bundesebene strafrechtlich belangt werden kann oder ob ihn die Immunität seines damaligen Amtes schützt.
Der Supreme Court wollte eigentlich nie in die Lage kommen, sich gleichsam als Schiedsrichter in den politischen Wettbewerb einzumischen: 1849 weigerten sich die Verfassungsrichter erstmals, eine strittige Wahl zu entscheiden. Damals ging es um einen Fall im Bundesstaat Rhode Island. 1876 bestätigte der Supreme Court diese Auffassung nach einer strittigen Präsidentenwahl.
Dann kam es im Jahr 2000 zum Fall Bush v. Gore. Der Oberste Gerichtshof verwarf mit fünf zu vier Stimmen die Entscheidung des obersten Gerichts Floridas, das eine Neuauszählung der Stimmzettel angeordnet hatte. Das Verfassungsgericht entschied so faktisch die Präsidentenwahl.
Die kürzlich verstorbene frühere Verfassungsrichterin Sandra Day O’Connor sagte Jahre, nachdem sie ihr Richteramt aufgegeben hatte: Vielleicht hätte das Gericht lieber sagen sollen: „Wir nehmen den Fall nicht an. Auf Wiedersehen.“ Die Entscheidung habe die Öffentlichkeit aufgewühlt und dem Ruf des Gerichts geschadet. Gut möglich, dass sich die Verfassungsrichter auch diesmal lieber nicht mit all jenen Fällen befassen wollten, die mit dem 6. Januar 2021 zu tun haben. Doch haben sie keine Wahl.
Keine Sonderrechte für frühere Präsidenten?
Sonderermittler Jack Smith, der die Ermittlungen im Washingtoner Fall gegen Trump verantwortet, hatte Ende vergangenen Jahres versucht, das Berufungsgericht zu umgehen. Er wandte sich direkt an den Supreme Court mit dem Antrag, die Frage schnell zu klären. Dies lehnte das Gericht ab. Daher muss das dreiköpfige Berufungsgericht zunächst klären, ob die erstinstanzliche Entscheidung, die der frühere Präsident verloren hatte, Bestand hat.
Bundesrichterin Tanya Chutkan hatte Trumps Verweis auf die Immunität seines Amtes zurückgewiesen. In ihrer Entscheidung erkannte sie zwar an, dass das Justizministerium seit langer Zeit die Ansicht vertrete, dass Präsidenten während ihrer Amtszeit nicht angeklagt werden könnten. Das gelte aber nicht nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Es gebe nur einen amtierenden Präsidenten. Frühere Präsidenten genössen strafrechtlich keine Sonderrechte.
Trump, der angekündigt hat, zur Anhörung am Dienstag in Washington zu erscheinen, ließ mitteilen, dass er sich im Falle einer abermaligen Niederlage an den Supreme Court wenden wolle. Dies könnte den Termin für den Prozessauftakt, der für Anfang März angesetzt ist, gefährden.
Die Frage der präsidentiellen Immunität ist noch nie abschließend verfassungsrechtlich geklärt worden. Trump ist der erste Präsident, der für Handlungen im Amt strafrechtlich belangt wird – und seine Anwälte gründen ihre Verteidigungsstrategie auf die Immunität, die ihn vor Strafverfolgung schütze: Sollten Präsidenten nicht absolute Immunität gewährt werden, könnte dies Entscheidungen von Amtsinhabern beeinflussen, etwa bei der Entlassung von Ministern oder dem Einsatz von tödlicher Gewalt.