Die österreichische Innenpolitik ist in den vergangenen Jahren stark von Untersuchungsausschüssen geprägt worden. Auch deshalb, weil vor zehn Jahren beschlossen wurde, dass schon eine Minderheit von einem Viertel der Abgeordneten des Nationalrats ausreicht, um einen U-Ausschuss einzurichten. Erst kürzlich wurde der frühere ÖVP-Vorsitzende und Bundeskanzler Sebastian Kurz in erster Instanz (nicht rechtskräftig) wegen Falschaussage im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er kritisierte das Verfahren als politisch, wofür er seinerseits kritisiert wird. Die ÖVP will sich von ihm nicht lossagen, aber natürlich auch nicht die Last der Affären aus der Ära Kurz mit sich herumschleppen. Die anderen Parteien wiederum wollen die Partei des heutigen Kanzlers Karl Nehammer nicht vom Haken lassen.
Es kann also nicht überraschen, dass dieses parlamentarische Aufklärungs- und Kampfinstrument auch in diesem Wahljahr zur Anwendung kommt, und das sogar zweifach. Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ wollen ermitteln, welche Vorgänge es rund um die 2022 nach Ausbruch der Corona-Pandemie zur Stützung von Unternehmen aus dem Boden gestampfte Finanzierungsagentur Cofag gegeben habe. Das richtet sich, wie schon die vergangenen Untersuchungen zu „Ibiza“ und der „ÖVP-Korruption“, vorrangig gegen die Kanzlerpartei. Die ÖVP versucht, den Spieß umzudrehen. Sie hat im Alleingang einen Ausschuss zur Untersuchung eines „rot-blauen Machtmissbrauchs“ durchgesetzt, der nächste Woche startet. Dort werden diffus Vorgänge aus zwei Jahrzehnten in SPÖ- und FPÖ-geführten Ministerien zusammengefasst.