Für einen Fachbeitrag wurden mir Videoclips zugesandt zu denen ich eine Einschätzung zur Situation angeben sollte. Thema waren die Blockade-Aktionen der Klimakleber. In den Kommentaren zum Artikel wurde ich herabsetzt, verunglimpft und mit Ausrücken bedacht, die am unteren Ende des Sprachniveaus anzusiedeln sind.
Hat mich das be- und getroffen?
Ja mehr, als ich dachte. Ich habe es zuerst abgetan als ungelenke Reaktionen von Mitlesenden. Dann merkte ich, dass die darin enthaltene Entwertung ins Herz stichelte.
Es ist okay,
- eine andere Meinung zu haben,
- mein Auftreten und meine Art und Weise nicht zu mögen,
- meine Kompetenz anzuzweifeln.
Es ist NICHT okay,
- mich als Menschen attackieren,
- mich abzuwerten,
- mich zu beschimpfen und
- dabei anonym zu bleiben.
Mir wurde weder mit körperlichen Angriffen noch Abbrennen meines Hauses gedroht. Ich bekam also die milde Variante eines Shitstorms. Andere Menschen erhalten ernsthafte Bedrohungen und müssen um ihre Unversehrtheit und um die Familie fürchten.
Was treibt Menschen dazu, Hasskommentare zu veröffentlichen?
Als Erstes fällt mir die Ventilfunktion der Online-Medien ein. Ich bekomme einen Verbreitungsgrad meiner Meinung und Ansichten, die bisher noch nie da gewesen ist – ich BIN wer mit 2000 Followern!
Für den zweiten Gedanken – die Anonymität der Online-Medien mit Nutzernamen wie @Alien-hu7ey macht mutiger – gibt es wenig empirische Beweise zu einer Ursache-Wirkungs-Beziehung.
Die Züricher Studie „Digital Social Norm Enforcement: Online Firestorms in Social Media“ kommt zum Ergebnis:
„Im Allgemeinen erzeugt die Anonymität das Phänomen des ´Fremden im Zug´, bei dem Menschen intime Selbstoffenbarungen mit Fremden teilen, da sie kein Wiedersehen erwarten und daher keine Risiken und Zwänge fürchten. In diesem Sinne fühlen sich Menschen, die die Möglichkeit haben, ihre Handlungen online von ihrem persönlichen Lebensstil und ihrer Identität zu trennen, weniger verletzlich, wenn es darum geht, sich selbst zu offenbaren und auszuleben. …es ein Machtungleichgewicht aus, das die Fähigkeit des Opfers einschränkt, gewöhnliche Techniken zur Bestrafung aggressiven Verhaltens anzuwenden.“
Nächste Gedanken sind die Frustration und Enttäuschung über die persönliche Situation: Der Blitzableiter für meine Enttäuschungen im eigenen Leben. Statt in die Hände zu spucken und was daran zu ändern, lenke ich mich davon ab durch Hasstiraden und Beschimpfungen.
Mit meiner Meinung biete ich eine Projektionsfläche, an der sich andere abarbeiten können. Das meint mich nicht als Mensch, sondern meine Aussagen werden instrumentalisiert. Wer diese Leinwand darstellt, ist egal – außer – je berühmter – umso besser.
Die auf therapeutische Interventionen und Resilienztraining für Betroffene von Hatespeech und digitaler Gewalt spezialisierte Psychologin Dorothee Scholz sagt: „MRT-Studien haben gezeigt: Wenn Menschen fremde Gruppen als nicht kompetent und nicht nützlich im wirtschaftlichen Sinne wahrnähmen, dann seien die für Empathie zuständigen Hirnregionen nicht aktiv. Insofern ist die Wahrnehmung dieser Gruppen entmenschlicht.“
Ein weiterer Aspekt ist ein irrationales Bedrohungsgefühl, dass wir „verdrängt, verarmt werden, untergehen, an Bedeutung verlieren usw.“
Wie sieht es rechtlich mit Hasskommentaren aus?
Die ZDF-Moderatorin und Journalistin Dunja Halali hat auf den sozialen Medien den Erfolg mit einem Gerichtsurteil veröffentlicht. Die unbekannte Person muss 900 Euro Strafe an eine Organisation gegen Rassismus und Diskriminierung zahlen. Außerdem muss sie die Kosten des Verfahrens bezahlen.
Die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und räumt diesem Recht den höchsten Rang ein. Das gilt aber nicht uneingeschränkt: Wird die Menschenwürde angegriffen, das Persönlichkeitsrecht verletzt oder herabwürdigende Schmähkritik der Inhalt sind, kann ein Betroffener sich rechtlich wehren.
Auf das Recht der freien Meinungsäußerung kann sich nicht berufen werden, wenn durch die Äußerungen Strafrechtsnormen verletzt werden. Dies gilt auch, wenn Bestimmungen zum Schutze der Jugend damit verletzt werden.
Ob Äußerungen online oder offline getätigt werden, ist nicht entscheidend. Die sogenannte „Hate Speech“ kann folgende Tatbestände des Strafgesetzbuches (StGB) erfüllen:
- Öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111)
- Beleidigung (§ 185 StGB)
- Üble Nachrede (§ 186 StGB)
- Verleumdung (§ 187 StGB)
- Volksverhetzung (§ 130 StGB)
Zur Gegenwehr braucht es auf jeden Fall einen guten Rechtsbeistand und ausreichend Wut, sich dagegen zu stemmen. Viel Aufwand und langwierige Recherchen sind notwendig, um z. B. an den Klarnamen zu kommen.
Was ist Hasssprache eigentlich genau?
Hasskommentare sind Aussagen, die Einzelpersonen oder Gruppen von Menschen absichtlich angreifen und abwerten. Das Ziel ist, mit den Worten zu verletzen, herabzuwürdigen und zu beschimpfen. Die Begründung von Hassreden bleibt meisten dabei aus oder wird mit nicht haltbaren Argumenten belegt.
In der Broschüre HATE SPEECH HASS IM NETZ von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) Landesstelle NRW e. V. und Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) findet sich Beispiele:
Bewusste Verbreitung uninformierter oder falscher Aussagen |
Die Flüchtlinge haben alle teure Handys.” „Die Flüchtlinge müssen im Supermarkt nicht bezahlen.” |
Tarnung als Humor oder Ironie |
„Ich will auch ein neues Smartphone. werde ich im nächsten Leben halt Asylant.” |
Herabwürdigende und verunglimpfende Begriffe: sexistische und rassistische Beleidigungen |
„Kanake.” „Schwuchtel.” „Schlampe.” |
Bedienen von Stereotypen und Vorurteilen durch bestimmte Begriffe und Sprachmuster |
„Homo-Lobby.” „Asylantenflut.” „Das Boot ist voll.” „Ausländer raus.” „Drohende Islamisierung.” |
Verallgemeinerungen | „Alle Griechen sind faul.” |
Wir/Die-Rhetorik | „Die bedrohen unsere Frauen!” |
Verschwörungstheorien | „Der Staat will unsere Kinder zu Homosexuellen erziehen.” „Die Politik unterstützt die Islamisierung Deutschlands.” |
Plakative Bildsprache |
Rassistische Darstellung z. B. von Schwarzen Menschen mit Baströckchen. Bilder, die Stereotype reproduzieren, indem sie z. B. muslimische Männer mit Sodomie in Verbindung bringen. |
Gleichsetzung |
Juden – Israel Gleichsetzung von Homosexualität mit pädosexueller Kriminalität, Inzest oder Sodomie. |
Befürwortung oder Androhung sexualisierter Gewalt – oft in konzentrierter Form |
Ein Beispiel dafür ist das sogenannte #Gamer Gate. Unter diesem Hashtag organisierte sich 2014 in den Sozialen Medien so viel Hass in Form von Mord- und Vergewaltigungsdrohungen gegen die sexismuskritische Videobloggerin Anita Sarkeesian. Dass sie zeitweise untertauchen musste. Öffentliche Auftritte der Bloggerin mussten wegen Bombendrohungen abgesagt werden. |
Befürwortung von oder Aufruf zu Gewalttaten |
„Die sollte man alle abknallen/verbrennen/vergasen.” „An den Galgen mit ihnen!” |
Auch die Ironie und lockere Sprüche tragen Spuren von Hass in sich. „Sind doch nicht so gemeint!“ ist dann die Ausrede. Da stellt sich die Frage: Wenn das so wäre, warum mache ich sie dann?
Warum lösen Strafen das Problem Hasskommentar nicht?
Es gibt eine Grenze des „dummen Redens“. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es auch um die Verrohung der Gesellschaft geht.
Härtere Strafen, Sanktionen oder eine Social-Media-Polizei werden das Problem nicht lösen.
Hetzer und Frustrierte gab es und wird es immer geben. Die Frage lautet. Ob diese Minderheit medial und im gesellschaftlichen Diskurs die Oberhand gewinnt. Geben wir als Gesellschaft dem fanfarenartigen Getöse einer Minderheit eine Plattform?
Was kann ich bei Hasskommentaren tun?
Ich kann
- im persönlichen Gespräch sagen, dass ich diskriminierende Aussagen nicht akzeptieren und hören möchte, weil ich für einen anderen Umgang miteinander und eine andere Haltung oder Idee habe.
- in Vereinen und Verbänden mitwirken, dass Publikationen, Social Media Auftritte und Versammlungen in einem angemessenen Ton abgehalten werden und nicht diskriminierend sind.
- in meinem direkten Umfeld – gerade auch in der Familie – für eine respektvolle Sprache und Umgang miteinander sorgen. Die Hetzer von morgen werden heute erzogen.
Appellen stimmen wie gern zu und gleichzeitig verpuffen sie im Alltag. Stellen Sie sich vor, wie Menschen über Sie reden. Dann gilt dabei das Sprichwort:
„Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!“ Das reicht – mehr nicht!
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