Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine erinnert oft an Szenen aus dem Ersten Weltkrieg: scheinbar endlose Stellungskämpfe mit hohen Verlusten, zermürbender Artilleriebeschuss, nur wenig Raumgewinn auf beiden Seiten. Gleichzeitig greifen Russland und die Ukraine auch auf moderne Mittel der Kriegsführung zurück, als besonders nützlich erweisen sich unbemannte Fluggeräte – besser bekannt als Drohnen.
In den vergangenen Tagen kam es wieder zu massiven russischen Drohnenangriffen auf die Ukraine, insbesondere auf die Hafenstadt Odessa. Aber auch die von Russland annektierte Halbinsel Krim war in jüngster Zeit wiederholte Male Ziel ukrainischer Fluggeräte.
„Der Ukrainekrieg ist der erste großflächige Konflikt, in dem eine derart hohe Anzahl an Drohnen eingesetzt wird“, sagt Dominika Kunertova, die sich am Center for Security Studies an der ETH Zürich mit der militärischen Anwendung neuer Technologien befasst. Sie ist Ko-Leiterin eines Forschungsprojekts über zukünftige Drohnentechnologie und Drohnenkriegsführung, das vom NATO-Programm Science for Peace and Security (SPS) finanziert wird.
Die Drohneneinsätze in der Ukraine unterscheiden sich von früheren wie in Syrien, Libyen oder Afghanistan, erklärt Kunertova. In asymmetrischen Konflikten zeigten sich große Drohnen als effektiv, die im unangefochtenen Luftraum agieren können. Anfällig seien sie jedoch, wenn keine Seite den Himmel kontrolliert. Weder Kiew noch Moskau haben die vollständige Kontrolle über den ukrainischen Luftraum. Im Ukrainekrieg spielten daher vor allem kleinere Drohnen eine militärisch bedeutende Rolle spielen, sagt Kunertova.
Drei Klassen von Drohnen
Eine international einheitliche Klassifizierung von Drohnen gibt es nicht. Die NATO ordnet sie anhand ihres maximalen Startgewichts in drei Typen ein: Klasse-I-Drohnen wiegen weniger als 150 Kilogramm. Darunter fallen die Unterkategorien „micro“ (weniger als zwei Kilogramm), „mini“ (von zwei bis 20 Kilogramm) und „small“ (mehr als 20 Kilogramm). Klasse-II-Drohnen wiegen zwischen 150 und 600 Kilogramm, Klasse-III-Varianten mehr als 600.
In der Ukraine seien es vor allem Klasse-I-Modelle und häufig die mit weniger als zehn Kilogramm Gewicht, die sich als entscheidend erweisen, sagt Kunertova. Kleinere Drohnen bieten mehrere Vorteile: Sie sind leicht zu bedienen, einfach zu beschaffen – und vor allem billig. Anders als große Drohnen bewegten sie sich in einem niedrigen Höhenbereich und seien besonders in großer Anzahl schwieriger abzufangen, sagt Kunertova.
Kleine Drohnen leisten einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung auf dem Schlachtfeld – und das auf möglichst einfache Art und Weise. „Individuelle Soldaten haben in ihrem Rucksack nun ein Fluggerät, mit dem sie feindliche Stellungen aufspüren können“, sagt Kunertova, entweder um sie zu umgehen oder das Artilleriefeuer zu koordinieren. Sie können aber auch selbst für Offensivoperationen eingesetzt werden. Die Ukraine nutzt etwa die eigens produzierte R18-Drohne, die speziell für das Abwerfen von Sprengsätzen konzipiert wurde.
Lauernde Kamikazedrohnen
Russische und ukrainische Streitkräfte setzen zudem stark auf umfunktionierte, frei erhältliche Drohnen, die ebenfalls mit Sprengladungen ausgestattet werden können. Beide Seiten machen etwa Gebrauch von DJI-Mavic-Minidrohnen, die vorrangig der Aufklärung dienen. Allerdings seien kommerzielle Versionen aufgrund ihrer geringeren Reichweite oder ihrer Anfälligkeit für Störsender weniger leistungsfähig als militärische Modelle, sagt Kunertova.
Daneben verwenden sowohl Russland als auch die Ukraine „loitering munition“ (lauernde Munition), geläufig unter dem Namen „Kamikazedrohnen“. Dabei handelt es sich um mit Sprengladung ausgestattete Einwegdrohnen, die ohne konkrete Zielkoordinaten gestartet werden können und dann eine Zeit lang im Luftraum kreisen, bis sie ein lohnendes Ziel sichten und auf dieses stürzen.