Laute Parolen, halblaute Selbstzweifel: So gewinnt man keine Wahlen. Leise Worte, keinerlei Unsicherheit: So gewinnt man Wahlen ohne jede programmatische Ankündigung.
Das Duell in der Sinsheimer Dr.-Sieber-Halle um den nach dem gesundheitsbedingten Rückzug von Kristian Baumgärtner vakanten Arbeitsplatz des Ersten Vorsitzenden der TSG Hoffenheim war auch das Duell zwischen Basis und Establishment eines Bundesligaklubs, der am 29. August, ohne jeden Transfer dastehend, den bei den Fans beliebten Sportgeschäftsführer Alexander Rosen plus weitere leitende Mitarbeiter hatte gehen lassen. Eine Zäsur, die die Vereinsgremien ohne den Segen des ebenso wohltätigen wie durchaus machtbewussten Klubpatrons Dietmar Hopp so radikal vermutlich nicht vollzogen hätten.
Ganz auf dessen Linie ließ Simone Engelhardt, die Zweite Vorsitzende des Klubs, die die Ultras der TSG ohne Erfolg mit einem Misstrauensvotum konfrontieren wollten, am Montagabend kein gutes Haar an dem vormaligen Sportchef, der der TSG allerdings immerhin doch vierzehn Jahre lang treue Dienste geleistet hat.
Da der 84 Jahre alte Hopp immer noch der mal geschätzte, mal gefürchtete Übervater dieses seit dem Aufstieg 2008 stets erstklassigen Vereins mit einer derzeit aber eher mittelmäßigen Anmutung geblieben ist, war der ungleiche Zweikampf um den ersten Platz im eingetragenen Verein auch so etwas wie eine Machtprobe zwischen dem Establishment im Hopp-Verein und dessen aufmüpfigen Herausforderern aus der Fan- und Ultraszene.
Kandidat Marvin Rotermundt, ein 29 Jahre alter Mechatroniker aus Dinkelsbühl, kein Ultra, sondern „schlichter Fan“, provozierte die bei Wahlen an Kontroversen nicht gewöhnte TSG-Gefolgschaft allerdings nur in Maßen. Der Herausforderer hatte sich schließlich „von vornherein nicht die größten Chancen ausgerechnet“.
Das bisschen Polemik gegen seinen Widerpart Jörg Albrecht, den vormaligen Oberbürgermeister von Sinsheim („ich kann nicht sagen, ob ich zu hundert Prozent der richtige Mann für den Job bin, aber ich kann Ihnen sagen, wer der hundertprozentig falsche Kandidat ist“), feierten nur diejenigen, die den Verein aus der Idylle sowieso ein bisschen aufmischen wollten. Am Erfolg Albrechts, der 273 Stimmen der 478 stimmberechtigten Mitglieder bekam, konnten weder lautstarke Ultras („keine Stimme für Albrecht“) noch kritische Fans des bisher mit öffentlichen Kontroversen kaum vertrauten Vereins etwas ändern.
Und so bleibt die TSG trotz Hopps Rückgabe der Stimmrechtsmehrheit unter den Gesellschaftern im Sinne der 50+1-Regelung auch in Zukunft die oberste Instanz dieses ganz speziellen Klubs. Albrecht, wohlvertraut mit Hopp, sieht sich mit seiner Bürgermeister-Attitüde zunächst vor allem als Versöhner gefragt, „um Frieden zu stiften im Verein“. Auch deshalb lud er seinen gescheiterten Herausforderer Rotermundt (123 Stimmen) gleich zu einem vertraulichen Gespräch in naher Zukunft ein. Die Gräben zwischen den Lagern sind immerhin noch tief.