Es sind praktisch die gleichen Produkte – und trotzdem zahlen Frauen mehr dafür als Männer. Viele Firmen setzen einen Aufpreis auf Produkte für eine weibliche Zielgruppe, obwohl sich diese häufig nur im Verpackungsdesign von der „männlichen“ Version unterschieden. Diese Praxis ist als „Gender Pricing“ oder auch „Pink Tax” bekannt.
Gleiches Produkt, andere Aufmachung, höherer Preis
Unter der „pinken Steuer“ versteht man, dass für quasi gleiche Produkte in anderer Aufmachung für Frauen und Männer unterschiedliche Preise verlangt werden. Unternehmen gehen davon aus, dass Frauen für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen eine höhere Zahlungsbereitschaft haben als Männer, erklärt Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU. Aus diesem Grund legen Firmen unterschiedliche Preise fest, um mehr Gewinn zu erzielen.
Höhere Zahlungsbereitschaft von Frauen
Die höhere Zahlungsbereitschaft von Frauen werde dabei teilweise schamlos ausgenutzt, kritisiert Armin Valet, Abteilungsleiter Ernährung und Lebensmittel in der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Aufmachung und das Marketing würden Frauen zum Kauf von teureren Produkten verleiten, obwohl sich diese kaum von der Männervariante unterscheiden. Hier liegt eine Diskriminierung vor.
Besonders Produkte aus dem kosmetischen Bereich wie Cremes, Rasierutensilien, Beautyprodukte und Parfüm sind von der „Pink Tax“ betroffen, aber auch Dienstleistungen wie Friseurbesuche oder Textilreinigungen. Frauen werden beispielsweise bei Kurzhaarschnitten beim Friseur oder der Reinigung von Blusen (im Vergleich zu Hemden) benachteiligt.
Preisunterschiede von bis zu 50 Prozent
Die Verbraucherzentrale Hamburg führt seit 2015 immer wieder Marktchecks zum „Gender Pricing“ durch. Eine aktuelle Stichprobe zeigt, dass bei Parfüm und Rasierschaum immer noch Preisunterschiede von bis zu 50 Prozent bestehen. Dies sei nicht durch unterschiedliche Herstellungskosten begründbar, betont Armin Valet.
Im Jahr 2017 wurden in einer Studie für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes festgestellt, dass Frauen in 2,3 Prozent der Fälle mehr zahlen als Männer. Derzeit fehlt es jedoch an aktuellen großen Auswertungen, sodass der Stand und die Entwicklungen rund um „Pink Tax“ schwer zu überblicken sind.
Unterschiedliche Designs und Füllmengen
Die unterschiedliche Bepreisung ist häufig nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Oft stehen Produkte für Frauen und Männer beispielsweise an unterschiedlichen Orten in Drogeriemärkten oder die Preise der Produkte werden durch unterschiedliche Designs und Füllmengen verschleiert. Rechtlich sei es jedoch schwierig gegen die Preisdiskriminierung vorzugehen, sagt Valet – „weil es eben nicht die exakt gleichen Produkte sind, sondern das eine ist blau und das andere rot“.
Der Experte für Verbraucherschutz empfiehlt Preise zu vergleichen. Eigentlich aber solle die Verantwortung nicht auf den Schultern der Verbraucherinnen lasten. „Unser Appell an die Händler war immer, dieses Gender-Marketing zu unterlassen.“
Laut Verbraucherzentrale nannten Hersteller in der Vergangenheit unter anderem unterschiedliche Inhaltsstoffe oder Verpackungsgrößen sowie Design als Gründe für die unterschiedliche Bepreisung mancher Produkte und wiesen den Vorwurf des „Gender Pricing“ zurück.
Auch wenn es sich bei den Preisunterschieden meist nur um harmlos erscheinende Centbeträge handelt, „Gender Pricing“ trägt zur finanziellen Benachteiligung von Frauen bei und belastet zusätzlich. Und das, obwohl Frauen in Deutschland zum Beispiel immer noch weniger verdienen als Männer. So lag der bereinigte Gender Pay Gap, also die Einkommenslücke von Frauen und Männern für die gleiche Arbeit, 2023 immer noch bei 6 Prozent.
Der unbereinigte Gender Pay Gap lag bei 18 Prozent. Hierbei ist jedoch ein Großteil der Verdienstlücke auf den Fakt zurückzuführen, dass Frauen häufiger in Branchen und Berufen arbeiten, in den schlechter bezahlt wird. Darüber hinaus erbringen Frauen in Deutschland laut Familienministerium aktuell täglich 43,8 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit wie Kinderbetreuung, Pflege oder Haushalt auf – Zeit, die für bezahlte Arbeit fehlt.
Die Auswertungen der Verbraucherzentrale lassen auf einen Rückgang des „Gender Pricing“ schließen. „Ich habe den Eindruck, dass es deutlich weniger wird“, sagt Alisa Frey vom Düsseldorfer Institute for Competition Economics. „Meine Vermutung ist, dass sich das durch die Aufmerksamkeit regelt.“ Demnach könnte eine erhöhte öffentliche Wahrnehmung der Thematik Hersteller und Händler in Zugzwang bringen.
Marketing-Experte Fassnacht ist anderer Meinung. „Unternehmen müssen heutzutage tendenziell härter auf den Absatzmärkten um Kunden kämpfen“, sagt er. Hersteller und Händler gingen nach wie vor davon aus, dass Frauen eine höhere Zahlungsbereitschaft für Kosmetik, Dienstleistungen und Kleidung hätten. „Deswegen nehme ich an, dass Frauen hier auch immer tendenziell etwas mehr bezahlen werden müssen als Männer.“ Firmen, die beispielsweise mit geschlechterneutralen Produkten werben, seien eher eine Ausnahme.
Annette Riedl/dpa/CHIP