Die Regierung in Kiew rechnet damit, dass die Ukraine bis Oktober alle Voraussetzungen für den Beginn der geplanten Verhandlungen über einen EU-Beitritt erfüllen kann. Man arbeite weiter daran, die Bedingungen der EU-Kommission umzusetzen, sagte Vizeministerpräsidentin Olha Stefanischyna am Donnerstag. Präsident Wolodymyr Selenskyj bedankte sich bei Deutschland für weitere Luftabwehrsysteme und kündigte eine Waffenschau der Rüstungsindustrie im Herbst an. Die USA sicherten zu, eine schnelle Weitergabe von Kampfflugzeugen des Typs F-16 zu ermöglichen.
Bis Oktober werde die Ukraine alle vereinbarten gesetzgeberischen und institutionellen Schritte für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen einläuten, sagte Stefanischyna in der Hauptstadt Kiew. Für die vollständige Umsetzung dieser grundlegenden Reformen würden hingegen noch Jahre benötigt.
Im Oktober wird die Europäische Kommission darüber entscheiden, ob sie den Staats- und Regierungschefs der EU empfiehlt, Beitrittsgespräche mit der von Russland angegriffenen Ukraine aufzunehmen. Die EU hatte das Land vergangenes Jahr offiziell zum Beitrittskandidaten gemacht.
Vor dem Beginn der eigentlichen Beitrittsverhandlungen, die keine Garantie für eine Mitgliedschaft sind, muss die Ukraine sieben Voraussetzungen der EU-Kommission erfüllen. Dabei geht es etwa um das Verfahren zur Auswahl ukrainischer Verfassungsrichter und um bessere Korruptionsbekämpfung – insbesondere auf hoher Ebene. Auch fordert die EU, dass Standards im Kampf gegen Geldwäsche eingehalten werden und ein Gesetz gegen den übermäßigen Einfluss von Oligarchen umgesetzt wird.
Dänemark und Niederlande sollen F-16 weitergeben können
Die amerikanische Regierung kündigte derweil an, Dänemark und den Niederlanden eine schnelle Weitergabe von F-16-Kampfflugzeugen an die Ukraine zu ermöglichen. Man habe den beiden Ländern zugesichert, Anträge auf Genehmigung so zu beschleunigen, dass die Maschinen geliefert werden könnten, sobald die Ausbildung der ukrainischen Piloten und Techniker abgeschlossen sei. Das bestätigte ein Sprecher des US-Außenministeriums der Deutschen Presse-Agentur in Washington.
Noch vor kurzem hieß es aus der Ukraine, man werde in diesem Jahr keine F-16 mehr einsetzen können. „Es ist bereits klar, dass wir die Ukraine in diesem Herbst und Winter nicht mit F-16 verteidigen können“, sagte Luftwaffensprecher Juri Ihnat vergangenen Mittwoch. „Wir hatten große Hoffnungen in dieses Flugzeug.“
Die USA müssen die Übergabe der Flugzeuge an die Ukraine genehmigen, weil sie von der amerikanischen Firma Lockheed Martin gebaut werden und sensible Technologie an Bord haben. Deshalb hat Washington auch ein Mitspracherecht dabei, wer daran ausgebildet wird.
Litauen schließt Grenzübergänge zu Belarus
Als Reaktion auf die Präsenz russischer Wagner-Söldner in Belarus hat Litauen zwei seiner sechs Grenzübergänge zum Nachbarland vorübergehend geschlossen. Auf Beschluss der Regierung des baltischen EU- und NATO-Landes sind von diesem Freitag an die beiden Kontrollpunkte Sumskas und Tverecius bis auf Weiteres gesperrt. Nach Angaben des Innenministeriums sollten dort Betonblöcke und Stacheldrahtrollen errichtet werden. Die anderen vier Grenzübergänge zum autoritär regierten Belarus sollen geöffnet bleiben.
Selenskyj begrüßt neuen deutschen Botschafter
Nach seinem Amtsantritt im Juli hat der neue deutsche Botschafter in der Ukraine, Martin Jäger, dem Präsidenten Selenskyj nun sein Beglaubigungsschreiben überreicht. „Wir unterstützen die Ukraine in ihrem Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit“, schrieb Jäger am Donnerstag zu diesem Anlass auf der Plattform X, vormals Twitter.
In seiner abendlichen Ansprache via Telegram dankte Selenskyj später Deutschland für die jüngste Lieferung von weiteren Startgeräten für das Flugabwehrsystem Iris-T: „Es ist ein kraftvolles und notwendiges Flugabwehrsystem. Ich danke Deutschland für die Hilfe beim Schutz gegen den russischen Terror.“
Außerdem kündigte er ein „Forum der Rüstungsindustrie“ im Herbst an. Bei der Veranstaltung sollen ukrainische und ausländische Rüstungshersteller ihre Produktion präsentieren. Selenskyj zufolge können dabei auch Möglichkeiten für neue Produktionsstätten in der Ukraine ausgelotet werden.