Nachdem die Bahngewerkschaft GDL und die IG Metall in den laufenden Tarifverhandlungen kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich fordern, will auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi das Thema demnächst angehen. „Im öffentlichen Dienst haben wir im Vergleich zur Privatwirtschaft längere Arbeitszeiten, es gibt also durchaus Handlungsbedarf, auch mit Blick auf die Attraktivität der Arbeitsplätze“, sagte der Verdi-Vorstandsvorsitzende Frank Werneke der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).
Schon heute seien rund 300.000 Stellen unbesetzt und in manchen Bereichen des öffentlichen Dienstes kaum mehr Bewerber zu bekommen. Im kommenden Jahr werde man bei den Mitgliedern „eine umfangreiche Befragung starten, um die Arbeitszeitbedürfnisse zu erfahren“, kündigte Werneke an und bekräftigte: „Ich bin mir sicher, dass wir das Thema Arbeitszeit in den nächsten Tarifrunden sowohl für private Dienstleistungsbranchen als auch für die Beschäftigten in den Kommunen und beim Bund in der Tarifrunde, die Anfang des Jahres 2025 ansteht, aufgreifen werden.“
Unternehmen ermutigen Teilzeitbeschäftige zu Mehrarbeit
Ganz andere Arbeitszeit-Vorstellungen hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer. DIHK-Präsident Peter Adrian forderte Teilzeitbeschäftigte auf, ihre wöchentliche Arbeitszeit zu erhöhen. Damit könne dem Fachkräftemangel begegnet werden, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe laut Vorabbericht. „Wenn viele Teilzeitkräfte einige Stunden mehr pro Woche arbeiten könnten, dann würde das sehr helfen“, sagte er demnach.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müsse weiter verbessert werden, damit Eltern in Teilzeit ihre Arbeitszeit ausweiten könnten. Adrian begründete seine Forderung mit dem Hinweis auf höhere Arbeitszeiten in der Schweiz. „Die Schweizer beispielsweise arbeiten im Schnitt fast 90 Stunden mehr im Jahr als wir in Deutschland, im direkten Vergleich einer Vollzeitstelle sind es sogar gut 230 Stunden mehr. Damit erwirtschaften sie aber auch höhere persönliche Einkommen und einen höheren Wohlstand“, sagte der DIHK-Präsident dem Vorabbericht zufolge.
Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich lehne er bei der Werbung um Personal nicht grundsätzlich ab, doch dieses Arbeitszeitmodell werde nicht in jedes Unternehmen passen. Die Verbraucher wünschten sich Dienstleistungen an fünf oder besser noch sechs Tagen die Woche. Das wäre mit diesem Arbeitszeitmodell nicht machbar. „Grundsätzlich verschärfen wir den Fachkräftemangel und die damit verbundenen Lücken in unserer Volkswirtschaft, wenn wir alle weniger arbeiten“, sagte Adrian weiterhin.