Nach mehr als zwei Tagen bewaffneter Gefechte in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon haben sich die Konfliktparteien am Montag auf einen Waffenstillstand geeinigt. Der zuständige Parlamentarier der Region, Osama Saad, berief am Montagnachmittag ein Treffen mit den Vertretern der beteiligten Gruppierungen ein. „Die Konferenzteilnehmer einigten sich auf einen Waffenstillstand“, sagte Saad der Deutschen Presse-Agentur. Alle Parteien seien der Meinung gewesen, die Sicherheit im Lager sollte gewahrt werden.
Bei den anhaltenden Kämpfen sind nach UN-Angaben mindestens elf Menschen getötet worden. Weitere 40 seien verletzt worden, darunter auch Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNWRA), teilte dessen Direktorin im Libanon, Dorothee Klaus, am Montag mit. Wegen der Kämpfe habe die UN-Organisation ihre Arbeit in dem Lager „vorübergehend eingestellt“. Das nahegelegene Krankenhaus Al-Hamshari berichtete noch von mindestens sieben Toten und 35 Verletzten.
2000 Menschen auf der Flucht
Wie Klaus weiter mitteilte, wurden bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen rivalisierender Palästinensergruppen zwei Schulen der UNWRA beschädigt und 2000 Menschen in die Flucht getrieben. Sie forderte „alle bewaffneten Akteure auf, alle Gebäude (…) der UNRWA im Einklang mit dem Völkerrecht zu respektieren“. Die Konfliktparteien sollten zudem „unverzüglich“ alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Zivilisten einschließlich der Kinder ergreifen.
Die Kämpfe im Lager Ain al-Hilweh in der südlibanesischen Stadt Sidon waren am Samstagabend nach dem Tod des Fatah-Kommandeurs Abu Aschraf al-Armuschi ausgebrochen, der mutmaßlich einem Attentat zum Opfer fiel. Laut Saad soll es „eine eingehende Untersuchung“ zu der Ermordung geben. Anschließend wurden fünf Fatah-Mitglieder, darunter ein Militärbeamter, in einem Hinterhalt getötet. Seit Sonntag stehen sich Mitglieder der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Islamisten gegenüber, wie die Fatah mitteilte.
Die Auseinandersetzungen mit automatischen Waffen, Scharfschützengewehren und Panzerabwehrraketen dauerten am Montag trotz der Ankündigung eines Waffenstillstands am Sonntagabend an. Vor dem Lager schlugen Granaten ein, Schulen und Geschäfte wurden geschlossen. Dutzende Bewohner flohen aus dem Lager, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Andere suchten demnach Schutz in einer nahe gelegenen Moschee.
Palästinensische Lager faktisch rechtsfreie Zonen
Ain al-Hilwah im Süden des Landes ist mit rund 80.000 Einwohnern das größte palästinensische Flüchtlingslager im Libanon. Die meisten Bewohner sind Flüchtlinge des ersten arabisch-israelischen Krieges im Jahr 1948 sowie deren Nachkommen. Andere palästinensische Bewohner wurden im libanesischen Bürgerkrieg (1975-90) dorthin vertrieben. In den vergangenen Jahren kamen außerdem Palästinenser aus Syrien wegen des dortigen Bürgerkriegs hinzu. Es kommt dort häufig zu gewaltsamen Zusammenstößen. 2015 scheiterte in dem Camp ein Anschlag auf einen Sicherheitsbeauftragten der Fatah.
Seit vielen Jahren gilt eine Übereinkunft, der zufolge die libanesische Armee palästinensische Lager nicht betritt. Palästinensergruppen kümmern sich dort um die Sicherheit. Faktisch sind die Lager aber rechtsfreie Zonen, in Ain al-Hilweh wurden etwa Extremisten und flüchtige Straftäter aufgenommen.