Kontingente statt eines individuellen Asylrechts, flächendeckende Kontrollen an den deutschen Außengrenzen: Die Flüchtlingsdebatte ist hierzulande in vollem Gange. Was aber wurde aus den vielen Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2019 aus Syrien, Afghanistan und weiteren Kriegs- und Krisenländern nach Deutschland kamen? Dieser Frage sind Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nachgegangen. Das Ergebnis ihrer am Donnerstag veröffentlichten Studie: Bei der Arbeitsmarktintegration zeigen sich in vielen Bereichen Fortschritte. Dennoch sind weiter viele Geflüchtete auf finanzielle Unterstützung vom Staat angewiesen.
So ist die Erwerbstätigkeit mit zunehmendem Aufenthalt in Deutschland deutlich gewachsen. Belief sich die Quote im ersten Jahr nach dem Zuzug – wenn etwa die Asylverfahren noch liefen – auf nur 7 Prozent, gingen nach sechs Jahren 54 Prozent der Geflüchteten einer bezahlten Arbeit nach, und nach sieben Jahren 62 Prozent (siehe Grafik). Hierzu zählt das IAB eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, eine Ausbildung, ein bezahltes Praktikum, einen Minijob oder eine Selbständigkeit. Auffällig ist, dass es ein erhebliches Gefälle zwischen den Geschlechtern gibt: So waren sechs Jahre nach dem Zuzug 67 Prozent der geflüchteten Männer erwerbstätig, aber nur 23 Prozent der geflüchteten Frauen.
Viele Geflüchtete arbeiten unterhalb der Niedriglohnschwelle
Grundlage für die Analyse ist eine jährliche Befragung von Geflüchteten durch das IAB, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das Sozio-oekonomische Panel. Für die jüngste Befragung im Jahr 2021 wurden knapp 2200 Personen einbezogen. Die Ergebnisse unterscheiden sich von der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, nach der Ende 2021 knapp 41 Prozent der Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern erwerbstätig waren. Die Differenz erklären die Forscher damit, dass sie in ihrer Längsschnittbefragung auswerten, was aus einer bestimmten Kohorte – zum Beispiel den 2015 Zugezogenen – im Zeitverlauf wird. Deren Beschäftigungsquote belief sich demnach Ende 2021 exakt auf den Durchschnitt von 54 Prozent nach sechs Jahren. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit erfasse hingegen alle Geflüchteten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in Deutschland sind. Und weil die Erwerbstätigenquote kurz nach dem Zuzug üblicherweise sehr niedrig sei, senke das den Gesamtdurchschnitt.
Positiv werten die Forscher neben den gestiegenen Erwerbstätigenquoten, dass mit längerem Aufenthalt viel mehr Geflüchtete Vollzeit arbeiten: Waren es ein Jahr nach dem Zuzug nur 28 Prozent der erwerbstätigen Schutzsuchenden, stieg der Anteil nach sechs Jahren auf 65 Prozent. 13 Prozent waren nach sechs Jahren in Teilzeit tätig, 9 Prozent machten eine Ausbildung, 2 Prozent ein Praktikum, 3 Prozent hatten einen Minijob. Zudem gingen 70 Prozent einer qualifizierten Tätigkeit nach, für die ein Berufs- oder Studienabschluss erforderlich ist. 30 Prozent waren als Helfer tätig. Die Ergebnisse für die 2015 Zugezogenen entsprechen dem IAB zufolge bei allen Indikatoren weitgehend dem Durchschnitt aller Personen mit sechsjähriger Aufenthaltsdauer.
Die Befragung zeigt auch, wo es bei der Arbeitsmarktintegration noch hakt. So sind die Löhne und Gehälter im Zeitverlauf zwar ebenfalls gestiegen. Die mittleren Bruttomonatsverdienste beliefen sich bei den vollzeiterwerbstätigen Geflüchteten jedoch sechs Jahre nach dem Zuzug lediglich auf 2037 Euro und damit auf 60 Prozent der mittleren Vollzeitverdienste in der Gesamtbevölkerung. Ein großer Teil der Geflüchteten verdiente also unterhalb der Schwelle zum Niedriglohnbereich.
Darüber hinaus beziehen nach wie vor viele Geflüchtete Leistungen des Staates oder aus der Arbeitslosenkasse, also Asylbewerberleistungen, das neue Bürgergeld oder – sofern sie in Deutschland schon Arbeit hatten – Geld aus der Arbeitslosenversicherung. Nach sechs Jahren bekam fast jeder zweite Geflüchtete (46 Prozent) eine dieser Leistungen oder war Teil einer Bedarfsgemeinschaft, die eine dieser Leistungen erhielt. Die Leistungsbezugsquote ist mit längerer Aufenthaltsdauer aber ebenfalls rückläufig: Ein Jahr nach dem Zuzug belief sie sich noch auf 86 Prozent.
Dringenden Handlungsbedarf sehen die Forscher insbesondere bei der Arbeitsmarktintegration der geflüchteten Frauen. Diese sind nicht nur seltener erwerbstätig als Männer, sondern verdienen im Mittel auch weniger und sind häufiger auf finanzielle Hilfe angewiesen. „Ein erheblicher Teil“ der erwerbslosen Frauen suche jedoch nach Arbeit, sodass deren Erwerbstätigenquoten in den kommenden Jahren steigen könnten, heißt es in dem Bericht. Ein Knackpunkt ist aus Sicht des IAB ein früher Zugang zu umfassender Kinderbetreuung. Darüber hinaus sollten Geflüchtete weiter dabei unterstützt werden, einen Ausbildungs- oder Bildungsabschluss zu machen. Hier sei das Potential „noch nicht ausgeschöpft“.