Als vor fast zehn Jahren der erste Blitzermarathon stattfand, wunderten sich viele noch über dieses doch sehr eigentümliche Ereignis. Inzwischen ist der Tag, an dem in ganz Deutschland Radarfallen aufgestellt werden, um Autofahrer in ihrem Tempo zu disziplinieren, weitgehend etabliert – und ebenso umstritten. Fest steht, es kann jeden treffen, an diesem wie an jedem anderen Tag geblitzt zu werden. Mal hat man es besonders eilig, mal fährt man in Gedanken versunken und achtet nicht auf die Geschwindigkeit. Unsicherheit besteht hingegen oft darüber, welche Konsequenzen die Tempoüberschreitung haben kann. Der Frankfurter Fachanwalt für Verkehrsrecht Uwe Lenhart gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
1. Ich bin geblitzt worden. Wie geht es jetzt weiter?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man wurde direkt vor Ort angehalten und mit dem Vorwurf konfrontiert, oder die Bußgeldstelle verschickt an den Fahrzeughalter eine „Anhörung“ (wenn die Person auf dem Beweisfoto nach Geschlecht und Alter der Fahrzeughalter sein könnte) oder einen „Zeugenfragebogen“ (an juristische Personen als Halter, zum Beispiel eine Firma).
Bleiben Anhörung oder Zeugenfragebogen unbeantwortet, wird die Polizei von der Bußgeldstelle mit Ermittlungen zum Fahrer beauftragt. Die Polizei sucht den Fahrzeughalter dann auf und versucht, diesen zum Fahrer zu befragen, oder beschafft sich vom Einwohnermeldeamt weitere Informationen zum Halter.
Ist die Behörde davon überzeugt, den Fahrer ermittelt zu haben, erlässt sie einen Bußgeldbescheid, gegen den innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch eingelegt werden kann.
2. Wie kann ich gegen einen Bußgeldbescheid vorgehen?
Das geht mit oder ohne Rechtsanwalt. Der Einspruch muss noch nicht einmal begründet werden. Wichtig ist, nach der Qualität des Beweisfotos zu schauen: ob das Foto überhaupt geeignet ist, den Fahrer zu identifizieren. Ein Anwalt könnte darüber hinaus auch das ordnungsgemäße Zustandekommen der Messung überprüfen: gibt es eine gültige Eichung, ein Messprotokoll oder Ähnliches? Und wurden die Formvorschriften eingehalten, das heißt, wurde der Bußgeldbescheid wirksam zugestellt?
3. Was passiert, wenn ich die Einspruchsfrist gegen den Bußgeldbescheid verstreichen lasse?
Wenn nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids (das Zustelldatum wird vom Postzusteller handschriftlich auf gelbem Briefkuvert oben rechts notiert) Einspruch eingelegt wird, wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig. Dann muss die Geldbuße gezahlt werden, das Fahrverbot wird entweder sofort, ohne Zubilligung der Vier-Monats-Frist, oder spätestens nach vier Monaten wirksam.
4. Auf dem Blitzerfoto bin ich schlecht zu erkennen. Und nun?
In solchen Fällen muss man nicht einräumen, dass man gefahren ist, oder den Verstoß zugeben. Der Tatrichter muss darlegen, warum er trotz der schlechten Bildqualität den Betroffenen als Fahrer hat identifizieren können. Auf dem Bild müssen überhaupt bestimmbare Merkmale der abgebildeten Person zu erkennen sein. Diese können zum Beispiel Gesichtsform und Gesichtszüge, Frisur, Kinnpartie, Augen-, Nasen- und Ohrform oder individuelle Charakteristika wie Augenbrauenwuchs oder Narben sein. Wie viele übereinstimmende Kennzeichen vorliegen müssen, ist zwar nicht vorgeschrieben, für eine Verurteilung als Fahrer wird aber die persönliche Gewissheit des Richters gefordert.
Selbst wenn der Tatrichter ein anthropologisches Vergleichsgutachten eingeholt hat, müssen die Urteilsgründe eine verständliche Darstellung der erkennbaren und übereinstimmenden Merkmale enthalten. Ist das Lichtbild unscharf und kontrastarm und sind Gesichtsteile wegen einer Sonnenbrille oder -blende verdeckt, ist das Begründungserfordernis umso größer.
5. Gibt es ein Sonderrecht für „Ersttäter“?
Nein. Bußgelder und Fahrverbote wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten bestimmen sich nach dem bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog. Die dort genannten Sanktionen beziehen sich auf Regelfälle, die von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen ausgehen. Gewöhnliche Tatumstände liegen zum Beispiel vor, wenn die Tatausführung allgemein üblicher Begehungsweise entspricht und weder objektiv noch subjektiv Besonderheiten aufweist.
Dem entspricht etwa eine Geschwindigkeitsüberschreitung, wenn sie unter normalen Verhältnissen erfolgt und dadurch die Verkehrssicherheit nicht in besonderem Maße leidet. Besondere Umstände können in der Tatausführung und in der Person des Täters liegen, wie bei besonders rücksichtsloser oder leichtfertiger Begehung. Weist etwa das Fahreignungsregister für den Betroffenen frühere Zuwiderhandlungen aus, ist kein Regelfall mehr gegeben, da der Bußgeldkatalog grundsätzlich vom Fehlen vorheriger Eintragungen ausgeht.
In derartigen Fällen kann etwa die Regelgeldbuße erhöht und ein beim ersten Verstoß nicht vorgesehenes Fahrverbot angeordnet oder verlängert werden. Auch liegt den Regelsätzen des Bußgeldkatalogs grundsätzlich fahrlässige Begehung zugrunde: Die Sorgfaltspflichtverletzung kann weder als grob noch als leicht fahrlässig angesehen werden. Trifft Letzteres nicht zu, liegt ebenfalls kein Regelfall vor; es kann vom Regelsatz nach oben oder nach unten abgewichen werden. So legt die Einlassung des Betroffenen „Ich hatte es eilig“ nahe, eine Geschwindigkeitsüberschreitung sehenden Auges, also vorsätzlich begangen zu haben. Dies kann zu einer Verdoppelung des Regelbußgeldsatzes führen.
6. Ab welcher Tempoüberschreitung ist der Führerschein in Gefahr?
Dazu gibt es eine eindeutige Regelung: innerhalb geschlossener Ortschaften ab 31 Kilometern in der Stunde; außerhalb geschlossener Ortschaften ab einer Überschreitung des Tempolimits um 41 Kilometer in der Stunde.
Ab einer Überschreitung von 26 Kilometern in der Stunde, wenn der Verstoß innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft einer davor begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 Kilometern in der Stunde begangen wird.
Teilweise schon ab 21 Kilometern in der Stunde, wenn zuvor bereits mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen wurden.
7. Kann ich verhindern, dass der Führerschein eingezogen wird?
Wenn Autofahrer die Folgen eines Fahrverbots besonders hart treffen würden, kann es unzumutbar sein. Zum Beispiel, wenn es durch die Zeit ohne Führerschein zum Verlust des Arbeitsplatzes kommen würde. Unangemessen für Selbständige und Freiberufler wäre es, wenn diese zum Beispiel als Außendienstler Alleinverdiener sind, sie Termine mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht wahrnehmen und sich die Anstellung eines Fahrers nicht leisten können. Auch immaterielle und persönliche Folgen können berücksichtigt werden. So die krankheitsbedingte Notwendigkeit regelmäßiger Arztbesuche oder dass ein schwer kranker Angehöriger, der entfernt lebt, ohne Besitz des Führerscheins nicht besucht werden könnte. Nur wenn die behaupteten Gründe vorgetragen und belegt werden, ist ein Entfallen des Fahrverbots gegen regelmäßige Erhöhung der normalen Geldbuße möglich.
8. Kann ich den Zeitpunkt, an dem ich den Führerschein abgebe, selbst bestimmen?
Ist innerhalb von zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot nicht verhängt worden, kann das Fahrverbot innerhalb von vier Monaten nach Rechtskraft der entsprechenden Entscheidung angetreten werden. Um die Rechtskraft und damit den Beginn der Vier-Monats-Frist möglichst weit herauszuziehen, kann ein in der Sache unbegründeter Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt und spätestens am Tage der Hauptverhandlung vor Gericht zurückgenommen werden. So können vom Tag der Zustellung des Bußgeldbescheids bis zur Hauptverhandlung vor Gericht mehrere Monate Aufschub gewonnen werden.
9. Wie lange darf die Bußgeldstelle mit dem Verschicken des Anhörungsbogens warten?
Es kommt nicht auf das Verschicken des Anhörungsbogens an, sondern auf die „Verfügung“ der Anhörung des Fahrers zur Tatzeit. Dies bedeutet die Erfassung des Fahrers durch den Sachbearbeiter bei der entsprechenden Bußgeldstelle in dessen Datei oder den Vermerk der Polizei nach deren Ermittlungen.
Nach der Verfügung der Anhörung (dies ist regelmäßig das Datum der Anhörung oder kann durch Einsicht in die Bußgeldakte ersehen werden) muss innerhalb von drei Monaten der Bußgeldbescheid erlassen werden, der dann innerhalb von zwei Wochen zugestellt werden muss.