Die Nachricht machte am Samstagabend über Niederbayern hinaus die Runde: Aus dem Bezirksklinikum Straubing am Lerchenhaid sind vier Männer geflohen. Zwei der Männer seien wegen Drogendelikten und zwei wegen Diebstahls in der Klinik untergebracht gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Für alle vier sei ein Entzug angeordnet worden.
Auch am Sonntagabend später sind sie weiterhin auf der Flucht vor der Polizei. „Mit Hochdruck“ werde nach den Männern gesucht, sagte ein Polizeisprecher am Sonntagabend. Kripo und Staatsanwaltschaft ermittelten wegen Verdachts auf Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung. Doch die Suche blieb bislang erfolglos: Rund 100 Beamte hatten in der Nacht nach den Flüchtigen gesucht. Auch ein Hubschrauber und Suchhunde waren im Einsatz.
Nach aktuellem Stand, so beschreibt es die Polizei, hatten die vier Patienten der Klinik zunächst einen Mitarbeiter des Hauses bedroht und attackiert und sich mit der Geisel an der Pforte freigepresst. „Der Mitarbeiter wurde nach Öffnung des Haupteinganges sofort freigelassen“, berichtet die Zeitung „Donaukurier“ unter Berufung auf das Polizeipräsidium. Dabei hätten sie stumpfe und spitze Gegenstände verwendet. Der Mitarbeiter habe Verletzungen im Gesicht erlitten und werde in einer Klinik stationär behandelt, sagte die Polizeisprecherin. Die vier Patienten seien zu Fuß geflüchtet.
Bei drei Männern sollte Therapie abgebrochen werden
Von der Polizei werden die flüchtigen Männer als gefährlich eingestuft, auf der Fahndungsseite werden Bilder und Informationen zu den Straftätern genannt: Zwei von ihnen sind 28 Jahre alt und deutsche Staatsbürger, der 31 Jahre alte Mann ist Bosnier, der jüngste Patient ist 27 Jahre alt und kommt aus dem Kosovo.
Eine Sprecherin des Bezirkes Niederbayern teilte am Abend mit, dass bei drei der vier Männer geplant war, den Abbruch der Therapie anzuregen. Einer habe erst vor Kurzem einen sogenannten Lockerungsmissbrauch begangen. Details dazu lagen zunächst nicht vor.
Immer wieder kommt es zu Ausbrüchen von Häftlingen. Allein die Polizei Niederbayern hat eine lange Fahndungsliste mit bekannten und unbekannten Straftätern, die teilweise seit Jahren untergetaucht sind. Erst vor rund einer Woche war ein wegen Totschlags verurteilter Mann aus Somalia bei einem Ausgang im bayerischen Plattling im Landkreis Deggendorf geflüchtet. Für den Mann soll es so schnell keine Lockerung mehr geben, auch weil es nicht sein erster Fluchtversuch war. Ein geflohener Mörder, der im Gefängnis Bruchsal bei Karlsruhe einsaß und bei einem Haftausgang Ende Oktober 2023 geflohen war, konnte erst nach neun Monaten von Fahndern in der Republik Moldau gefasst werden.
„Solche Ausbrüche dürfen nicht wieder passieren“
Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) forderte am Sonntag eine detaillierte Aufarbeitung des Vorfalls in Straubing sowie Konsequenzen. „Es kommt alles auf den Prüfstand. Vom Maßregelvollzug darf keine Gefahr für die Bevölkerung und die Mitarbeiter in den forensischen Kliniken ausgehen“, teilte sie mit. „Die Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung haben oberste Priorität.“ Die Sicherheitskonzepte in den Einrichtungen müssten bayernweit verschärft und verbessert werden, so die Ministerin. Dazu gehöre die Weiterentwicklung von Geisellage-Szenarien und Schulungen für die Mitarbeiter. Es müsse auch geprüft werden, ob in bestimmten Fällen Therapieabbrüche und eine Überstellung in die Justizvollzugsanstalten schneller rechtssicher stattfinden können. „Solche Ausbrüche dürfen nicht wieder passieren.“
Die Ministerin sagte weiter: „Ich kann die Sorgen und die Unsicherheit der Bürgerinnen und Bürger in dieser Ausnahmesituation nachvollziehen. Bitte beachten Sie die Hinweise der Polizei, und verhalten Sie sich weiter ruhig und besonnen.“ Im Maßregelvollzug sind Menschen untergebracht, die aufgrund von Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit – etwa wegen einer psychischen Erkrankung oder einer Suchtkrankheit – nicht in den Strafvollzug und somit nicht in ein Gefängnis kommen.
Das Bezirkskrankenhaus Straubing ist nach eigenen Angaben eine Fachklinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie und erfüllt den gesetzlichen Auftrag des Maßregelvollzuges unter der Trägerschaft des Bezirkes Niederbayern. Es gibt 230 Therapieplätze.