So wie jetzt hat man die Frankfurter Bundesbank-Zentrale seit dem Bau vor mehr als 50 Jahren nicht mehr gesehen. Vom Erdgeschoss bis in den elften Stock wurden sämtliche Einbauten entfernt. Zum Vorschein gekommen ist der nackte Beton. Verschwunden sind die langen Flure mit Einzelbüros auf beiden Seiten. Die 220 Meter lange, 60 Meter hohe, aber nur 17 Meter breite Hochhausscheibe präsentiert sich jetzt offen und hell.
Auch nach Abschluss der seit zwei Jahren laufenden Sanierung soll das so bleiben. Die entfernten Wände werden größtenteils nicht wieder eingezogen. Statt auf Einzelbüros setzt die Bundesbank auf neue Arbeitswelten. Im Großraum müssen sich die Mitarbeiter die Schreibtische teilen und zusammenrücken. Bis zu 60 Prozent ihrer Arbeitsleistung sollen sie von zu Hause aus erbringen. Die Bundesbank nimmt an, dass künftig nur noch zwei von drei Beschäftigten im Büro anwesend sein werden. Deshalb werde weniger Platz benötigt als bisher angenommen. Wie viel Fläche man einsparen werde, könne man derzeit noch nicht sagen, so Stephan Bredt, der seit Januar als Chief Operation Officer unter anderem für Baumanagement und Verwaltung verantwortlich ist. „Aber wir nehmen an, dass wir den Bedarf in Bestandsgebäuden decken können und deshalb keinen Neubau errichten müssen.“
Vor einigen Jahren hörte sich das noch anders an. Die Bundesbank wollte ihre Frankfurter Mitarbeiter auf dem Areal rund um die Zentrale an der Wilhelm-Epstein-Straße zusammenziehen. 5000 Arbeitsplätze sollten dort entstehen, nach den Plänen des Schweizer Architekturbüros Morger Partner sollten nördlich des markanten Bestandsgebäudes kleinere Hochhäuser mit einer Fläche von insgesamt 100.000 Quadratmetern gebaut werden. Sie sollten das Haupthaus nicht überragen – so war das städtebauliche Konzept mit der Stadt abgestimmt. Doch wegen des Trends zum Homeoffice spielt das Ziel, alle Mitarbeiter auf einem Campus zu vereinen, keine Rolle mehr. Schon vor einem Jahr hatte die Bundesbank angekündigt, dass die Pläne überarbeitet werden und es nur einen kleinen Neubau mit 5000 Quadratmeter Fläche geben werde. Nun wird auch dieser gestrichen.
Insgesamt 2700 Arbeitsplätze
Die Mitarbeiter der Bundesbank sollen künftig ausschließlich in Bestandsgebäuden arbeiten. Auf dem zentralen Campus wird es etwa 2400 Arbeitsplätze geben. Die meisten Schreibtische werden im Haupthaus stehen, aber auch einige Nebengebäude, die zum Abriss vorgesehen waren, werden erhalten. Weitere 300 Arbeitsplätze sind in der Hauptverwaltung der Bundesbank an der Taunusanlage geplant. Das in den Achtzigerjahren für die damalige Landeszentralbank errichtete Gebäude muss ebenfalls saniert werden. Rechnerisch reichen die künftigen Kapazitäten für rund 4200 Mitarbeiter. Derzeit sind sie in mehreren Übergangsquartieren untergebracht, die meisten davon im Hochhaus FBC an der Mainzer Landstraße.
Bredt begründete vor Journalisten den Strategiewechsel unter anderem mit der Verpflichtung der Bundesbank, wirtschaftlich zu handeln. Bei Gebäuden entfielen nur 20 Prozent der Kosten auf den Bau selbst, 80 Prozent machten Betrieb und Unterhalt während der Lebensdauer aus. Wenn man weniger Fläche benötige, ließen sich viele Kosten einsparen. Bredt verwies zudem auf die erhebliche Steigerung der Baukosten seit 2018. Auch der Klimaschutz spiele bei der Entscheidung, auf Neubauten zu verzichten, eine Rolle, sagte Bredt. „Als öffentliche Institution wollen wir hier ein Zeichen setzen.“ Bei der Planung orientiere man sich an der Empfehlung der Kommission Nachhaltiges Bauen des Umweltbundesamtes. Sie sehe vor, den vorhandenen Gebäudebestand möglichst zu erhalten, um Emissionen und Rohstoffverbrauch zu reduzieren. Genaue Zahlen zur Einsparung von Kosten und Emissionen nannte die Bundesbank nicht. So weit seien die Planungen noch nicht, sagte Angela Gröne, die seit dem vergangenen November den Zentralbereich Baumanagement der Bundesbank leitet. Details der Standortstrategie würden noch erarbeitet.
Das Haupthaus werde ohne Unterbrechung weiter saniert. Die Planungen nähmen allerdings mehr Zeit in Anspruch, da das Gebäude im Mai 2022 – für die Bundesbank überraschend – als einer der „eindrucksvollsten Großbauten der Spätmoderne“ unter Denkmalschutz gestellt wurde. Alle Veränderungen müssen mit dem Denkmalamt abgestimmt werden. Das Erscheinungsbild des 1967 bis 1972 nach Plänen des Frankfurter Büros ABB errichteten Gebäudes soll erhalten bleiben. Allerdings werden Solarmodule an der Südfassade installiert, die dadurch voraussichtlich etwas dunkler wirken wird. Ausgetauscht werden Teile der Betonverkleidung sowie die dahinter liegende Metallfassade, die schlecht isoliert ist und dazu führte, dass sich das Gebäude aufheizt. Einige im Lauf der Jahrzehnte verschwundene Ausstattungselemente aus der Bauzeit, etwa der Empfangstresen im Foyer, werden originalgetreu rekonstruiert. Kunstobjekte wurden eingelagert und kehren nach Abschluss der Sanierung an ihren angestammten Platz zurück.
„Die Bundesbank fühlt sich ihrem denkmalgeschützten Traditionshaus verbunden“, versicherte Präsident Joachim Nagel laut einer Mitteilung. Er steht seit Anfang 2022 an der Spitze der Institution. Am Präsidentenbüro im zwölften Stock des Haupthauses hängt aber noch das Namensschild seines Vorgängers Jens Weidmann. Auf die edle Ausstattung der Flure der Vorstandsetage hat die Denkmalpflege ein besonderes Augenmerk gelegt: Die Wandverkleidung aus Marmor bleibt ebenso erhalten wie die Aluminiumverkleidung der Betonpfeiler und die Bürotüren mit dunklem Holzfurnier. Ebenfalls unter Schutz steht die Konferenzetage im 13. Stock – einschließlich der sogenannten Klimaleuchten, die nicht nur Licht in die Räume bringen, sondern auch kühle Luft.
In die überarbeiteten Räume im zwölften Stock wird wieder der Bundesbank-Vorstand einziehen. Wann das sein wird, ist offen. Nach den alten Plänen sollten die Sanierung des Haupthauses und die Neuordnung des Campus 2029 abgeschlossen sein. Einen aktualisierten Zeitplan legte die Bundesbank bisher nicht vor.