Wie gut können wir die Zukunft vorhersagen? – Wenn Sie an Horoskope glauben, sollten Sie den Barnum-Effekt kennen

Wer kann die Zukunft voraussagen? 

Ich erinnere mich, dass 1979 die Spielzeuge Tamagotchi aufkamen. Das Tamagotchi ist ein digitales Haustier, das schnell weltweite Beliebtheit erlangte. Es handelt sich um ein kleines, eiförmiges Gerät, auf dem Nutzer sich um ein virtuelles Wesen kümmern müssen, indem sie es füttern, mit ihm spielen und für seine Sauberkeit sorgen, um es glücklich und gesund zu halten. Die Prophezeiung damals: die Kinder werden seelisch verkrüppeln.

Die Spiegel Titelbilder aus 1964 (Automatisation in Deutschland) , 1978 ( die Computerrevolution: Fortschritt macht arbeitslos) , 2016 (Sie sind entlassen- wie Computer und Roboter uns die Arbeitsplätze wegnehmen)  warnen vor dem Umbruch. Die Prophezeiungen damals: Kahlschlag für die menschliche Arbeit.

2018 gab es große Diskussionen um künstliche Intelligenz – hieß damals A.I. (Artificial Intelligence) und autonomes Fahren. Die Prophezeiung: Viele Berufe werden wegfallen. Die Hitliste führten an: Steuerfachleute, Finanzbeamte, Redakteure, Briefträger, Zählerableser und Landwirte.

2024 galoppieren wieder die apokalyptischen Reiter durch die Medien. Wer sind diese Sprachrohre der Menschheit: Es sind die Zukunftsforscher oder Futurologen.

Es könnte der Verdacht aufkommen, das Würfeln, Knochenwerfen wie in Karl Mays Romanen oder Himmelswolken als Omen anzusehen, die gleiche Eintrittsquote haben wie die Zukunft voraussagen. Sie merken meine große Skepsis den Zukunftsforschern gegenüber.

Christoph Maria Michalski ist „Der Konfliktnavigator“, Vortragsredner und Coach für Entscheidungsträger im Beruf. Es gibt zwar viele Instrumente für eine bessere Kommunikation, aber kein System, wie diese Werkzeuge konkret angewendet werden können. Dafür hat er KonfliktFLOW entwickelt – 6 Wegpunkte als Checkliste für eine erfolgreiche Vorgehensweise. Die Grundzüge dieser Idee hat er 2018 in „Die Konflikt-Bibel“ veröffentlicht. Als Marathonläufer weiß er, dass Erfolg das Ergebnis eines kontinuierlichen Trainings ist.

Was meine Skepsis befeuert? 

Forschen heißt etwas entwickeln – eine Idee, eine Lösung eines Problems vor Augen haben und dann tüfteln, scheitern, wieder anfangen, optimieren – bis es läuft oder floppt.

Diesen letzten Schritt machen die Zukunftsforschende nicht. Sie spekulieren und wenn es eintrifft: „Hurra, ein Treffer! Ich hab’s doch gesagt“. Wenn es nicht eintrifft – Schwamm drüber.

Es gibt den Begriff der VUCA-Welt.

• „V“ ist für Volatilität – also wie schnell sich Dinge ändern können, ohne Vorwarnung.
• „U“ steht für Unsicherheit, weil, seien wir ehrlich, es oft schwer ist zu wissen, was als Nächstes passiert.
• „C“ bedeutet Komplexität, da alles irgendwie miteinander verknüpft ist und Entscheidungen nicht mehr schwarz oder weiß sind.
• „A“? Das steht für Mehrdeutigkeit – wenn die Dinge nicht so klar sind, wie sie sein könnten.

Wenn ich dieses Modell nehme, sind alle Prognosen in die Zukunft höchst gewagt. Wenn ich einen Hellseher aufsuchen würde, bei ihm klingele und er würde durch die Sprechanlage fragen: „Wer ist da?“, würde ich sofort wieder gehen. Er kann es nicht- Hellsehen!

Von dem Begriff Forschung erwarte ich ein Modell, wie es dann funktionieren kann. Wenn ich über die Zukunft des Backens sinniere: Es wird neue Zubereitungsverfahren geben, neue Lebensmittel und chemische Unterstützung, die Gartechnik wird irgendeinen Quantensprung vollziehen – ich kann philosophieren, aber letztendlich kein einziges Rezept für einen Gaumenschmaus der Zukunft niederschreiben.

Wieso funktioniert das so gut? 

Das ist der nach P.T. Barnum, einem berühmten Zirkusdirektor, benannte Effekt, der für Horoskope, Persönlichkeitstests oder Vorhersagen genutzt wird. Der Effekt tritt auf, wenn Menschen vage und allgemeine Beschreibungen über sich selbst hören oder lesen und denken: „Wow, das passt genau zu mir!“, obwohl diese Aussagen eigentlich auf fast jeden zutreffen könnten.

Die Aussage lautet: „Du hast manchmal Unsicherheiten, aber in Gesellschaft kannst du sehr offen sein.“ Das klingt spezifisch, aber in Wirklichkeit fühlen sich die meisten Menschen ab und zu unsicher und sind in bestimmten Situationen offen. Weil die Beschreibung so allgemein ist, glauben wir, sie beschreibe uns persönlich.

Bei meinen Vorträgen verteile ich als Beweis meiner mentalen Kräfte 7 Briefumschläge, die ich nach 3 kurzen Fragen an einzelne Zuschauer überreiche. Auf der Vorderseite sind Buchstaben und Zahlencodes niedergeschrieben, ich denke kurz nach und überreichte dann einen „passenden“ Umschlag. Dann bitte ich die Zuschauenden den Brief zu öffnen, ihn durchzulesen, mir zu sagen, wie weit die darin beschriebenen Charakterzüge auf sie selbst zu treffen. Auf einer Skala von 1 bis 10. Fast immer kriege ich eine 8.

Zukunftsforschende spielen mit der Sehnsucht nach dem Blick in die Zukunft. Ebenfalls bedienen sie sich der Faszination für alles, was Science-Fiction ist – ob mit Raumschiff oder Drachen ist dabei egal.

Ist das ein Phänomen unserer Zeit? 

Das Hörspiel „Krieg der Welten“ wurde am 30. Oktober 1938 ausgestrahlt. Es handelte sich um eine Adaption des Romans „The War of the Worlds“ von H.G. Wells, der von einer Invasion von Marsianern auf die Erde erzählt. Orson Welles und sein Team gestalteten das Hörspiel als eine Serie von fiktiven Nachrichtensendungen, die so realistisch wirkten, dass viele Zuhörer, die den Anfang der Sendung verpassten und die Einleitung nicht hörten, glaubten, es handele sich um echte Nachrichten über eine außerirdische Invasion.

Weitere Beispiele sind:

1. Orakel von Delphi: In der Antike reisten Menschen zum Orakel von Delphi in Griechenland, um von den Priesterinnen, bekannt als Pythia, Prophezeiungen über wichtige Entscheidungen, Kriege oder persönliche Angelegenheiten zu erhalten.
2. Astrologie: Die Positionen von Sternen und Planeten wurden und werden immer noch von vielen Kulturen genutzt, um Zukunftsprognosen zu erstellen und Persönlichkeitsmerkmale zu bestimmen.
3. Tarotkarten: Ursprünglich als Spielkarten im 15. Jahrhundert in Europa eingeführt, werden Tarotkarten heute oft zur Wahrsagung verwendet, wobei verschiedene Karten unterschiedliche Aspekte der Zukunft oder des Lebensweges einer Person symbolisieren.
4. Nostradamus: Michel de Nostredame, bekannt als Nostradamus, war ein französischer Apotheker und angeblicher Seher, der in der Renaissance lebte und eine Sammlung von Prophezeiungen veröffentlichte, die bis heute populär sind.

Was also tun? 

Es gibt seriöse Methoden der Zukunftsforschenden, die zum Beispiel nach der Delphi Methode vorgehen. Das ist eine strukturierte Technik, die genutzt wird, um Expertenmeinungen zu einem bestimmten Thema zu sammeln und zu konsolidieren. In mehreren Runden geben die anonym teilnehmenden Experten ihre Einschätzungen ab und erhalten Rückmeldungen über die Gruppenantworten, was ihnen erlaubt, ihre Ansichten zu überdenken und zu verfeinern. Ziel ist es, durch diesen iterativen Prozess einen Konsens oder eine fundierte Einschätzung zu erreichen, indem die Vielfalt und Tiefe des Expertenwissens effektiv genutzt wird.

Daraus ergeben sich wichtige Ankerpunkte für die Trends – Entscheidungsgrundlagen für Wirtschaft Politik und Gesellschaft.

Die Frage muss trotzdem erlaubt sein, warum wir in der Bildungspolitik fortwährend dermaßen danebengreifen, wenn wir auf solche Ressourcen zurückgreifen können?

Mit den Begriffen Zukunftsvermuter oder Zukunftsspekulant hätte ich weniger Schwierigkeiten.

Klügere Menschen als ich sagen dazu:

• „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ – Niels Bohr
• „Die beste Art, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie zu erfinden.“ – Alan Kay
• „Ich bin interessiert an der Zukunft, denn dort werde ich den Rest meines Lebens verbringen.“ – Charles Kettering

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