Die deutschen Landwirte haben nach häufigem Regen in diesem Sommer wohl nur eine kleinere Getreideernte eingefahren. Nach jetzigem Stand sei es fraglich, ob die Marke von 40 Millionen Tonnen noch erreicht werden könne, teilte der Bauernverband am Dienstag in Berlin mit. Dies wäre deutlich weniger als die Vorjahresmenge von 43 Millionen Tonnen Getreide.
Ergiebiger und häufiger Regen in weiten Teilen Deutschlands habe die Ernte immer wieder ausgebremst. Nach wie vor stehe in einigen Regionen Weizen auf den Feldern, der längst hätte geerntet werden müssen. Regen und Sturm hätten teils deutliche Schäden hinterlassen, was zu geminderten Mengen und Qualitäten führe.
„Echte Zitterpartie“
Die Getreideernte 2023 wird deshalb unterdurchschnittlich ausfallen – bei Kartoffeln und Gemüse, Mais und Zuckerrüben dagegen werden die Landwirte im Herbst wohl einen „ordentlichen Ertrag einfahren können“, wie Bauernpräsident Joachim Rukwied am Dienstag sagte.
Rukwied nannte die diesjährige Ernte eine „echte Zitterpartie“. Ein nasses Frühjahr gefolgt von Trockenheit im Mai und Juni und eine ständig durch Niederschläge unterbrochene Ernte hätten die Bauern vor gewaltige Herausforderungen gestellt. Nach der vorläufigen Schätzung des Verbands dürften die Erträge bei Weizen als wichtigster Getreidesorte deutlich unter Vorjahresniveau liegen. Vor allem beim Winterweizen, der bedeutendsten Getreideart hierzulande, erwarten die Landwirtinnen und Landwirte eine schlechte Ernte.
Viele Bauern hätten den Weizen wegen des ständigen Regens nicht dreschen können, vielerorts ist er „auf dem Halm gekeimt“ und könne daher nicht mehr für Brot verwendet werden, sagte Rukwied bei der Vorstellung der vorläufigen Erntebilanz. Dieses Getreide landet dann in den Futtertrögen oder in der Biogasanlage.
Auch beim Raps erwartet der Bauernverband eine unterdurchschnittliche Ernte. Die Wintergerste hingegen konnte bis Ende Juni, also noch vor der Regenperiode, eingebracht werden und lieferte überdurchschnittliche Erträge.
Rukwied sagte: „Der diesjährige Witterungsverlauf zeigt aufs Neue die deutlich spürbaren Auswirkungen des Klimawandels. Wir müssen alles dafür tun, um zukünftig unsere Erträge und die Ernährung sichern zu können.“ Die Landwirte müssten die Möglichkeiten haben, sich an die veränderten klimatischen Bedingungen anzupassen. Dazu gehörten die Züchtung widerstandsfähigerer Pflanzen, eine breite Palette an Wirkstoffen zum Pflanzenschutz, wassersparende Bodenbearbeitung und die Förderung einer Bewässerungsinfrastruktur.
Keine steigenden Preise erwartet
Steigende Preise für das Brotgetreide erwartet der Bauernverband aber trotzdem nicht – denn europaweit wird die Weizenernte über dem Durchschnitt liegen, dazu kommen Weizenimporte aus der Ukraine. Letzteres nannte Rukwied eine „paradoxe Situation“, denn dringend gebraucht werde das Getreide in den Entwicklungs- und Schwellenländern in Afrika, in Nahost und in Asien. Die Politik müsse „alles dafür tun, dass der Transit durch Europa funktioniert und der Seeweg wieder in Gang kommt“, forderte er.
Derzeit werden in Deutschland nach seinen Angaben rund drei Prozent der Flächen bewässert, vor allem im Obst- und Gemüseanbau. Dieser Anteil müsse auf vier, fünf Prozent ansteigen. Hier wünschen sich die Landwirte eine „positive Begleitung“ durch die Behörden – etwa wenn es um Genehmigungen für Brunnenbohrungen oder Wasserentnahme geht.