Einmal hat es gebrannt, doch seit Ende des 14. Jahrhunderts ist der Kirchenraum weitgehend unverändert: Corinna Zisselsberger in der Berliner Marienkirche
Bild: Steffen Roth
Man kann resignieren, weil die Kirche immer unwichtiger wird für die Menschen. Oder anfangen, sie zu verändern. Ein Besuch bei Corinna Zisselsberger, Pfarrerin in der Berliner Marienkirche.
Ausgerechnet jetzt, im Advent, steht die Marienkirche besonders allein da. Sogar der Weihnachtsmarkt wendet sich von ihr ab, ein mannshoher Zaun, blickdicht, trennt sie von den ein paar Meter entfernt stehenden Buden. Verloren wirkt der lange gotische Bau das ganze Jahr über. Wie ein störrischer Gast, der sich weigert zu gehen, steht er in der zugigen Weite, die die Stadtplanung der ostdeutschen Nachkriegsmoderne aus Berlins historischer Mitte gemacht hat. Um den Bau herum Versuche, dem Ort etwas Publikumsträchtiges abzugewinnen: schräg gegenüber das Hotel, aus dem vor einem Jahr eine Million Liter Wasser und 1500 exotische Fische auf die Straße flossen, nachdem das Großaquarium in der Lobby geplatzt war; es ist verrammelt.
Dahinter der Sockel des Fernsehturms, dessen kühn gefalteter Stahlbeton wieder in Szene gesetzt werden müsste, damit er nicht schäbig wirkt. Zu den Mietern gehören eine Ausstellung mit plastinierten Leichen, ein Casino und die Bar „Knutschfleck“. Das weitläufige Areal an der Längsseite der Kirche hat nicht einmal einen Namen, seit die dicht gebauten, kriegsgeschädigten Häuser, die sie umstanden, in den Sechzigerjahren abgeräumt wurden.