Dass die politischen Verhältnisse in Thüringen besonders sind, ist bekannt. Der rot-rot-grünen Minderheitsregierung von Bodo Ramelow (Linke) fehlen vier Stimmen, was der Opposition aus CDU, AfD, FDP sowie vier fraktionslosen Abgeordneten die in einem deutschen Parlament bisher einmalige Möglichkeit gibt, die Regierung zu überstimmen. Und wann immer ein solcher Fall droht, nutzen alle Beteiligten die Gelegenheit, dem Gegner eins auszuwischen. Am Ende hilft das in der Regel nur einer Partei, die wiederum der Grund des ganzen Streits ist: der AfD.
Am Donnerstag setzte die Opposition in Thüringen erstmals gegen den Willen der rot-rot-grünen Regierung eine Steuersenkung durch. Ein Gesetzentwurf der CDU für eine niedrigere Grunderwerbsteuer bekam im Landtag in Erfurt eine Mehrheit, weil neben der FDP die AfD die entscheidenden Stimmen beisteuerte.
Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion sieht eine Senkung der Grunderwerbsteuer vor, die in Thüringen bei 6,5 Prozent liegt und damit so hoch wie in kaum einem anderen Bundesland ist. Die CDU plant seit zwei Jahren, die Steuer auf fünf Prozent zu senken, um Familien beim Erwerb von Wohneigentum zu entlasten und die Bauwirtschaft zu stützen. Dem Haushalt würden damit etwa 50 Millionen Euro fehlen, weshalb Linke, SPD und Grüne das Vorhaben ablehnen.
In zahlreichen Gesprächen waren sie jedoch auch nicht zu einem Kompromiss bereit. Der Vorschlag liege lange genug auf dem Tisch, jetzt werde abgestimmt, sagte deshalb CDU-Fraktionschef Mario Voigt. „Wir wollen Familien und Mittelstand entlasten, so steht es in unserem Wahlprogramm.“ Im Haushalts- und Finanzausschuss hatte die CDU mit den Stimmen von AfD und FDP schon eine Mehrheit erhalten.
Ramelow warnt vor „Pakt mit dem Teufel“
Das wiederum bringt Rot-Rot-Grün auf die Palme. Regierungschef Ramelow warnte die CDU vor einem „einzigartigen Vorgang“ und gar einem „Pakt mit dem Teufel“. Die CDU nehme wissentlich und willentlich in Kauf, dass die AfD Einfluss auf die Gestaltung des Landeshaushalts bekomme, sagte Innenminister Georg Maier (SPD). Und in Berlin zählte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sogleich CDU-Chef Friedrich Merz an, der über keinerlei Autorität mehr verfüge, seinen Kurs der Abgrenzung von der AfD bei den Parteifreunden in Erfurt durchzusetzen.
Merz wies das am Donnerstag zurück. „Wir machen das, was wir in den Landtagen und auch im Deutschen Bundestag diskutieren, nicht von anderen Fraktionen abhängig“, sagte er dem Sender RTL. Mit der AfD gebe es keine Zusammenarbeit, und dabei bleibe es. Bereits vor einem Jahr hatte Merz in einer ähnlichen Lage in Thüringen erklärt, dass er unter Zusammenarbeit Absprachen und gemeinsam ausgearbeitete Anträge verstehe. Damals hatte die CDU einen Antrag zum Mindestabstand von Windrädern zu Wohnbauten eingebracht, der ebenfalls mit AfD und FDP eine Mehrheit hätte finden können, wenn nicht Voigt und Ramelow persönlich in letzter Minute die Sache geklärt hätten.
Dass das bisher nicht möglich war, hält Voigt für Absicht. „Es geht darum, die CDU in die Ecke zu drängen und die Abstimmung zu skandalisieren.“ Die Brandmauer seiner Partei zur AfD stehe jedoch. Es habe keinerlei Gespräche mit der AfD gegeben. „Wir haben eine sehr klare Haltung zu Herrn Höcke und der AfD. Wir werben für unsere Positionen und stimmen keinem Antrag der AfD zu.“ Er könne die Lösung von Problemen jedoch nicht davon abhängig machen, ob die falsche Seite zustimme.
Ganz ähnlich hatte es übrigens der Bundeskanzler im August im Interview mit der Zeitung „Thüringer Allgemeine“ ausgedrückt: „Das ist doch keine Zusammenarbeit“, antwortete Olaf Scholz auf die Frage, was wäre, wenn AfD-Stimmen für die Mehrheit benötigt würden. „Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt.“