Wahrscheinlich steckt eine ordentliche Portion Wahrheit in den Gedanken, die Pep Guardiola in dieser Woche über Bayer Leverkusen und seinen spanischen Landsmann Xabi Alonso zum Ausdruck gebracht hat. In höchsten Tönen hatte der Trainer von Manchester City die Erfolge und den Spielstil der Werkself gelobt, die sich am Sonntagnachmittag im rheinischen Derby einen mühsamen 2:0 gegen den 1. FC Köln erarbeitete.
In Anspielung auf den wachsenden Vorsprung gegenüber dem FC Bayern in der Tabelle hatte Guardiola jedoch erklärt: „Jetzt sind sie in einer Position, wo sie die Bundesliga nicht mehr gewinnen können, sie können sie nur noch verlieren, weil jeder denkt, dass es schon geschafft ist. Das ist jetzt die schwierigste Sache.“
Sorge spielt mit
Genauso spielte Leverkusen in vielen Phasen dieser Partie gegen den Rivalen von der anderen Rheinseite: nicht mehr mit der Leichtigkeit des Parvenüs, sondern in vielen Phasen seltsam gehemmt von der Sorge, diese kostbare Titelchance doch irgendwie ungenutzt zu lassen. „Als wir in Überzahl gespielt haben, hatte ich das Gefühl, dass wir nervös wurden“, sagte der Leverkusener Verteidiger Jonathan Tah. Erst gegen Ende, als die länger als 75 Minuten in Unterzahl spielenden Kölner immer müder wurden, sah das Spiel des Tabellenführers doch halbwegs souverän aus.
Das lag allerdings auch an den Kölnern, die sich nicht nur leidenschaftlich, sondern auch mit einer klugen Herangehensweise gewehrt hatten und anfangs auf Augenhöhe mitspielten. Dejan Ljubicic vergab nach einem starken Angriff sogar eine hervorragende Kopfballmöglichkeit (11.) zur Kölner Führung. Auffällig war, wie aufmerksam der FC Granit Xhaka zustellte; es gehörte offenbar zum Plan, dem Leverkusener Chefstrategen keinen Raum für seine Impulse zu lassen. Und wahrscheinlich lag auch die Absicht vor, Xhaka in harte Zweikämpfe zu verwickeln.
Doch Jan Thielmann übertrieb dieses Vorhaben, als er den Schweizer von hinten mit der offenen Sohle und ohne Chance auf den Ball in die Ferse trat (13.). Nach einer Intervention des VAR zeigte Schiedsrichter Tobias Stieler Thielmann die rote Karte. Das veränderte die Partie, die nun hitzig und zerfahren war. Köln agierte weiterhin hart, und die Meister des Kombinationsfußballs von der Tabellenspitze entwickelten keinen echten Spielfluss.
Kein Sonntagsspaziergang
Zwischenzeitlich entstand sogar der unangenehme Anschein, dass es die Kölner auf die beiden wichtigsten Leverkusener abgesehen hatten, denn auch Florian Wirtz wurde auf gesundheitsgefährdende Art und Weise gefoult. Eric Martel sah für diese Aktion aber nur die gelbe Karte (30.).
Je länger die Partie dauerte, desto erfolgreicher wehrten sich die Kölner auch mit fairen Mitteln, wagten auch immer wieder Gegenangriffe. „Wir hatten unsere Kontersituationen, und ich hatte nie das Gefühl, dass die uns auf diese typische Art in Überzahl an die Wand spielen“, sagte Kölns Verteidiger Timo Hübers.
Wer dachte, die Leverkusener könnten die drei Punkte im Format eines sportlichen Sonntagsspaziergangs einsammeln, täuschte sich also. Schon am Spieltag zuvor gegen Mainz 05 tat sich die Werkself schwer mit dem Überzahlspiel. Bayer 04 war zwar irgendwann eindeutig spielbestimmend, und Jeremie Frimpong schoss nach einer Flanke von links aus sechs Metern das 0:1 (37.).
Aber die Kölner blieben höchst unangenehm. So machte Sargis Adamyan, der zum ersten Mal seit rund einem Jahr in der Startelf stand, sein stärkstes stärkstes Spiel vielen Monaten. Der Angreifer verbreitete viel Unruhe und bereitete eine gute Chance auf den Ausgleich vor. Doch Faride Alidous Kopfball kurz vor der Pause fehlte die Präzision. Unmittelbar nach der Pause hätte Adamyan dann beinahe zum 1:1 getroffen; am Ende eines Konters setzte Adamyan ein von Rasmus Carstensen in den Strafraum geschlagenen Ball an den Pfosten (51.).
Nun wurde Alonso auf der Leverkusener Bank langsam unruhig, denn seine Mannschaft hatte auch nach 45 Minuten in Überzahl keine Souveränität im Umgang mit der Situation entwickelt. „Wir hatten viel Ballbesitz, aber wir konnten nicht so viele Chancen schaffen“, sagte der Trainer, der dann aber nach Alejandro Grimaldos Tor zum 0:2 (73.) doch halbwegs beruhigt sein konnte.
„Nach dem zweiten Tor war es gut“, sagte Alonso. Zudem bleibt die Erkenntnis, dass die Leverkusener ihre Spiele auch ohne die Leichtigkeit der besten Phasen in dieser Saison gewinnen und den Vorsprung in der Tabelle immer weiter ausbauen. „Zehn Punkte sind schon viel, so ehrlich muss man sein“, sagte Xhaka. „Aber es ist noch nicht gegessen. Wir bleiben weiterhin so wie wir sind: am Boden.“