Nach den heftigen Unwettern in Slowenien ist am Samstagabend ein Staudamm im Osten des Landes gebrochen. Betroffen sei die Anlage am Fluss Mur bei Dolnja Bistrica, berichtete die slowenische Nachrichtenagentur STA. Insgesamt zehn Ortschaften seien gefährdet. Dort seien entsprechende Rettungsmaßnahmen im Gange. Um wie viele Menschen es sich handelte, war zunächst unklar.
„Wir haben den absolut notwendigen Schritt der Evakuierung unternommen, weil dies die einzige Maßnahme ist, um mögliche Opfer zu verhindern“, sagte der Katastrophenschutzkommandant Srecko Sestan. „Wenn das Wasser anfängt, den Boden wegzutragen, wird der Damm sofort einstürzen, und die Flutwelle wird neun oder zehn Dörfer erfassen.“ Man versuche nun, per Hubschrauber den Staudamm mit Betonblöcken abzudichten, sagte er weiter.
Am österreichischen Oberlauf der Mur, nahe Graz, steige der Pegelstand weiter an, sagte der Hydrologe Janez Polajnar nach Angaben von STA. „Die Bedingungen sind nicht vorhersehbar.“
Auch im benachbarten Österreich wurden weitere Überschwemmungen befürchtet und vorsorglich Campingplätze geräumt. Im südlichen Nachbarland Kroatien rüsteten sich die Behörden für eine für Samstagabend erwartete Flutwelle. Vereinzelt mussten auch hier bereits Menschen gerettet werden. Mehrere Gemeinden errichteten vorsichtshalber Dämme aus Sandsäcken. Betroffen war teilweise auch die Adria-Küste.
Wohl größte Schäden in Slowenien seit 1991
Sloweniens Polizei ermittelte in vier Todesfällen, ob ein Zusammenhang mit den Unwettern bestehe. Am Ufer der angeschwollenen Save in der Hautptstadt Ljubljana wurde am Samstag die Leiche eines Mannes gefunden. Am Vortag waren drei Menschen wahrscheinlich wegen der Unwetter ums Leben gekommen. Zwei der Todesopfer sind niederländische Bergsteiger, die möglicherweise tödliche Blitzschläge beim Wandern erlitten hatten. Fünf weitere Niederländer werden in Slowenien vermisst, hieß es aus dem Außenministerium in Den Haag.
Ministerpräsident Robert Golob zufolge habe das Adria-Land „die wahrscheinlich größten Schäden durch eine Naturkatastrophe in der Geschichte des (seit 1991) unabhängigen Sloweniens“ erlitten. Der Gesamtschaden werde voraussichtlich 500 Millionen Euro übersteigen, schätzte er. Beschädigt sei vor allem die Straßen- und Energieinfrastruktur sowie Hunderte Wohngebäude.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sicherte Slowenien Hilfe zu. Die Schäden in dem Adria-Land seien „herzzerreißend“, twitterte sie. Darüber wollte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, am Samstag mit der Regierung in Ljubljana beraten.
Menschen von Hausdächern und Bäumen gerettet
In Slowenien sind die Katastrophenschützer nach den schlimmsten Überschwemmungen und Erdrutschen seit mehr als drei Jahrzehnten weiter mit der Rettung und Versorgung von Menschen beschäftigt. Mehrere Orte waren von den Fluten und Geröllmassen abgeschnitten. Sie wurden teils per Hubschrauber mit Trinkwasser und Lebensmitteln versorgt, teils versuchten Soldaten zu Fuß in diese Orte zu gelangen.
In Dravograd nahe der Grenze zu Österreich mussten nach einem Erdrutsch am Samstag 110 Menschen, darunter 30 Touristen, in Sicherheit gebracht werden. Dort drohte ein weiterer Erdrutsch. Der Ort liegt am Zusammenfluss der drei anschwellenden Flüsse Drau, Meze und Mislinje. Bürgermeister Anton Preksavec sprach von einer „Apokalypse wahrhaft biblischen Ausmaßes“, wie STA berichtete. Mindestens drei weitere Orte waren von Erdrutschen betroffen.
Mindestens drei Brücken stürzten ein, zahlreiche Autobahn-Abschnitte und Landstraßen standen unter Wasser. Der Katastrophenschutz meldete innerhalb von 36 Stunden landesweit mehr als 3700 Einsätze. Unter anderem wurden Menschen gerettet, die sich auf Bäumen oder Hausdächern in Sicherheit gebracht hatten.
In den südlichen österreichischen Bundesländern Kärnten und Steiermark drohten nach neuen heftigen Regenfällen weitere Überschwemmungen. Mehr als 2500 Feuerwehrleute waren in jedem der Bundesländer im Einsatz, dazu Dutzende Soldaten.
Staus auf Urlaubsrouten nach Kroatien
In einem südlichen Vorort der Hauptstadt von Kärnten, Klagenfurt am Wörthersee, musste ein Rückhaltebecken ausgepumpt werden, damit es nicht überläuft. In Lavamünd gerieten völlig durchnässte Hänge ins Rutschen und bedrohten Wohnhäuser. In Leibnitz in der Steiermark wurde ein Seniorenheim vorsorglich geräumt. In einer anderen Ortschaft wurden Menschen mit Booten aus ihren Häusern abgeholt und in Sicherheit gebracht. Im südlichen Burgenland hat sich die Lage nach den jüngsten Niederschlägen entspannt.
Weil Autobahnen und Ausweichstraßen teils wegen der Überschwemmungen gesperrt waren, kam es am Samstagmorgen zu Staus auf den wichtigsten Transitrouten für Kroatien-Urlauber. Die Behörden empfahlen, Fahrten nach oder durch den Norden Sloweniens zu verschieben.