Seit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts gibt es nicht nur Fragen an die Politik, wie der klimafreundliche Umbau der Wirtschaft finanziert werden soll. Fraglich ist obendrein, wie das höchste deutsche Gericht es nun selbst mit dem Klimaschutz hält. Zur Erinnerung: Im Frühjahr 2021 hatte Karlsruhe viel Aufsehen mit seinem Klimabeschluss erregt. Demnach enthält das Grundgesetz ein Klimaschutzgebot, welches den Staat verpflichtet, auf Klimaneutralität hinzuarbeiten. Damit es nicht zu einer Freiheits-Vollbremsung kommt, muss die Politik rechtzeitig und schonend die Weichen für die erforderliche CO2-Minderung stellen.
Doch seit dem Haushaltsurteil stellt sich die Frage, wie die klimaverträgliche Transformation finanziert werden soll. Milliarden von Euro stehen nun nicht mehr zur Verfügung. Außerdem hat das Verfassungsgericht die Möglichkeiten der Kreditaufnahme kräftig beschnitten.
Auf den ersten Blick scheinen Klimabeschluss und Haushaltsurteil also nicht zueinanderzupassen. Einerseits nimmt Karlsruhe die Politik beim Klimaschutz in die Pflicht, andererseits wurde das Finanzierungsmodell für zahlreiche Klimaschutzvorhaben gekippt. Doch formal betrachtet hätten beide Entscheidungen „nichts miteinander zu tun“, stellt der Staatsrechtslehrer Klaus Ferdinand Gärditz von der Universität Bonn klar. Für den Klimabeschluss sei der Erste Senat verantwortlich, für das Haushaltsurteil der Zweite Senat.
Generationengerechtigkeit im Fokus
Zudem hätten die Senate über unterschiedliche Dinge entschieden: „Die Anerkennung staatlicher Pflichten, wirksam auf die Begrenzung von CO2-Emissionen hinzuwirken, sagt für sich gesehen nichts darüber aus, wie dafür als notwendig erachtete Maßnahmen zu finanzieren sind.“ Ein Spannungsverhältnis zwischen dem Haushaltsurteil und dem Klimaschutzbeschluss sieht Gärditz nicht: „Beide Entscheidungen richten sich dagegen, einseitig Lasten in die Zukunft zu verschieben.“
Im Klimaschutzbeschluss werde gefordert, die Minderung der Treibhausgase müsse jetzt beginnen, da künftige Generationen sonst unzumutbar belastet würden. Ähnlich werde nun im Haushaltsurteil verlangt, die Transformation hin zu einer dekarbonisierten Wirtschaft nicht mit Schulden zu finanzieren, die künftige Generationen abzutragen hätten. „Das ist keine Absage an ambitionierten Klimaschutz, sondern eine Absage an eine einseitige Abwälzung der Kosten in die Zukunft“, lobt Gärditz das Urteil des Zweiten Senats.
„Der Klimabeschluss wird rechtlich nicht relativiert“
Auch der Rechtswissenschaftler Wolfgang Kahl sagt, der Klimabeschluss werde durch das Urteil zur Schuldenbremse „nicht rechtlich relativiert“. „Haushaltsverfassungsrecht ist zwingendes und damit auch vom Klimagesetzgeber zu beachtendes Recht“, betont der Professor für Öffentliches Recht und Direktor der Forschungsstelle für Nachhaltigkeitsrecht an der Universität Heidelberg. Der Erste Senat verweise in seinem Beschluss von 2021 zwar – zu Recht – auf den hohen Rang des Klimaschutzes. Aber das ändere nichts daran, dass sich der Klimaschutz im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung halten müsse. „Zu dieser Ordnung zählt auch die Schuldenbremse“, sagt Kahl und ergänzt. „Wenn Klimaschutz im Wege des Verfassungsbruchs betrieben wird, verstößt er gegen das Grundgesetz.“