Im roten Kleid hetzt Franka Bernreiter durch die glühenden Hochhausschluchten zur Sicherheitsschleuse des UN-Hauptgebäudes. Es ist Mitte Juli, Diplomaten aus allen Ländern tauschen sich auf dem Nachhaltigkeitsforum in New York über die Entwicklung der Agenda 2030 aus. Routiniert zeigen ältere Menschen in Anzügen ihren Ausweis vor und treten zielstrebig auf das Gelände – und mittendrin die 21 Jahre alte Bernreiter. Gerade kommt sie von der deutschen Delegationsbesprechung, um direkt an der nächsten Konferenzsitzung teilzunehmen.
Franka Bernreiter ist eine von zwei Jugenddelegierten für Nachhaltige Entwicklung. Während ihre Freunde für den Klimaschutz auf die Straße gehen, reist sie mit der deutschen Regierungsdelegation um die Welt. Nach ihrem Abitur hat sie sich 2021 über den Deutschen Bundesjugendring und das Bundesumweltministerium erfolgreich auf das Amt beworben. Seitdem geht es um das große Ganze. Von Stockholm über Paris bis nach Nairobi vertritt sie die Interessen von sechs Millionen deutschen Kindern und Jugendlichen auf internationaler Bühne.
Aufgewachsen ist Bernreiter in der süddeutschen Kleinstadt Aalen. Dort war sie seit dem 11. Lebensjahr bei den Pfadfindern aktiv – und hat früh gelernt, für sich und andere sowie die Umwelt Verantwortung zu übernehmen. Allerdings stellte sie auch schnell fest, dass sie handwerklich eher weniger geschickt war. Bernreiter ist ein Kopfmensch, der viel und gerne vor anderen spricht. Statt Stöcke zu schnitzen und Waldhütten zu bauen, feilschte sie immer häufiger um Formulierungen in Positionspapieren zu nachhaltiger Entwicklung. Schließlich nahm sie an ersten internationalen Pfadfinder-Konferenzen teil. „Mich hat die Gremienarbeit fasziniert. Ich mag es, über jeden einzelnen Absatz zu streiten.“
Keine plakativen Forderungen
In New York ist die Zeit für Bernreiter knapp, nicht nur wegen der vielen Termine. Spätestens in sieben Jahren sollen die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele erreicht werden: von Gleichstellung der Geschlechter über die Bekämpfung von Armut bis hin zu Maßnahmen für Klimaschutz. Darauf haben sich 2015 alle Staaten der Vereinten Nationen nach zähen Verhandlungen geeinigt. Heute sind erst zwölf Prozent der vereinbarten Ziele erreicht. Bei 30 Prozent wird keine oder gar eine rückläufige Bewegung verzeichnet. Dabei steht die Zukunft ihrer und kommender Generationen auf dem Spiel. Am liebsten möchte Bernreiter an jedem Side-Event, jeder Konferenzrunde teilnehmen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Pausen kennt sie an solchen Tagen nicht. Das Mittagessen nutzt sie, um Allianzen für Jugendthemen zu schmieden. Teilweise redet und gestikuliert sie so hektisch, dass man ihr nur schwer folgen kann. Sie holt dann tief Luft und versucht einen kühlen Kopf zu bewahren.
Fragt man sie nach ihren Zielen auf dem Nachhaltigkeitsforum, nennt sie keine plakativen Forderungen. Ja, die Staatengemeinschaft müsse das 1,5-Grad-Ziel einhalten. Nein, dazu könne sie die Politiker vor Ort nicht verpflichten. Ja, sie wünsche sich einen kostenfreien ÖPNV. Nein, das könne sie als Teil der deutschen Delegation nicht fordern. Das Rad der Vereinten Nationen, der Diplomatie, aber auch der Nationalpolitik mahlt so langsam, dass Bernreiter sich lieber auf ihren Handlungsspielraum konzentriert. Ihr geht es vor allem um neue Anstöße für die Diskussion und die Sichtbarkeit junger Menschen. Dieses Jahr hat sie sich zum Ziel gesetzt, in dem Slot der deutschen Bundesregierung zu „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ eine Rede halten zu dürfen.