In Dänemark nutzen Forschende Künstliche Intelligenz (KI), um Lebensereignisse vorherzusagen. Das Projekt life2vec analysiert Daten von Millionen Menschen, um Gesundheit, Einkommen und Tod zu prognostizieren. Mit anderen Worten: Die KI könnte Fragen wie „Wann sterbe ich?“ und „Woran sterbe ich?“ beantworten.
KI kann Vorhersagen zu Lebensereignissen treffen
Sune Lehmann, Professor der Danmarks Tekniske Universitet (DTU), führte die Studie. Das Team erklärt, life2vec sei ein privates Forschungsinstrument, nicht öffentlich zugänglich. Damit versuchen sie Webseiten entgegenzuwirken, die damit werben, mittels life2vec einen „Todesrechner“ bereitstellen zu können – natürlich hinter einer Bezahlschranke.
Das Tool soll, so das Team, Innovationen aus der natürlichen Sprachverarbeitung adaptieren, „um die Entwicklung und Vorhersagbarkeit des menschlichen Lebens auf der Grundlage detaillierter Ereignisabläufe zu untersuchen“. Denn aus ihrer Perspektive sei das Leben eine einfache Abfolge von Ereignissen, ergänzt Lehmann: „Menschen werden geboren, gehen zum Kinderarzt, werden eingeschult, ziehen an einen neuen Ort, heiraten und so weiter.“
Life2vec basiert auf anonymen Daten von sechs Millionen Däninnen und Dänen. Diese enthalten Informationen über Lebensereignisse in Bezug auf Gesundheit, Bildung, Beruf, Einkommen, Adresse und Arbeitszeiten, die mit täglicher Auflösung erfasst werden, erklären die Forschenden in ihrer Arbeit. Die Daten werden dann in einem großen System von Vektoren kodiert, einer mathematischen Struktur, die die verschiedenen Daten ordnet.
„Wir haben das Modell verwendet, um die grundlegende Frage zu beantworten: Inwieweit können wir zukünftige Ereignisse auf Grundlage von Bedingungen und Ereignissen in der Vergangenheit vorhersagen? Wissenschaftlich gesehen ist für uns nicht so sehr die Vorhersage selbst spannend, sondern die Aspekte der Daten, die es dem Modell ermöglichen, so präzise Antworten zu geben“, erklärt Lehmann.
Vorhersage des Todeszeitpunkts
Die Vorhersagen von life2vec sind Antworten auf allgemeine Fragen wie: ‘Tod innerhalb von vier Jahren?’ Wenn die Forscher die Antworten des Modells analysieren, würden die Ergebnisse mit bestehenden Erkenntnissen aus den Sozialwissenschaften übereinstimmen. So hätten beispielsweise Personen in einer Führungsposition oder mit einem hohen Einkommen unter sonst gleichen Bedingungen eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit. Ein höheres Sterberisiko bestehe, wenn sie männlich sind, über eine gute Ausbildung verfügen oder eine psychische Erkrankung haben.
„Spannend ist es, das menschliche Leben als eine lange Abfolge von Ereignissen zu betrachten, ähnlich wie ein Satz in einer Sprache aus einer Reihe von Wörtern besteht. Dies ist normalerweise die Art von Aufgabe, für die Transformatormodelle in der KI verwendet werden, aber in unseren Experimenten benutzen wir sie, um das zu analysieren, was wir Lebenssequenzen nennen, das heißt Ereignisse, die im menschlichen Leben stattgefunden haben“, so Lehmann.
Forscher weisen darauf hin, dass Modell ethische Fragen aufwirft
Die Forschenden weisen darauf hin, dass das life2vec-Modell ethische Fragen aufwirft, wie etwa den Schutz sensibler Daten und der Privatsphäre sowie mögliche Verzerrungen der Daten. „Diese Herausforderungen müssen noch besser verstanden werden, bevor das Modell beispielsweise zur Bewertung des individuellen Risikos einer Erkrankung oder anderer vermeidbarer Lebensereignisse eingesetzt werden kann“, heißt es in der Mitteilung.
„Das Modell eröffnet wichtige positive und negative Perspektiven, die politisch diskutiert und angegangen werden müssen“, so Lehmann. Ähnliche Technologien zur Vorhersage von Lebensereignissen und menschlichem Verhalten würden bereits heute in Technologieunternehmen eingesetzt, die zum Beispiel das Verhalten in sozialen Netzwerken verfolgen und Menschen damit extrem genau profilieren können. „Diese Diskussion muss Teil des demokratischen Gesprächs sein, damit wir darüber nachdenken, wohin die Technologie uns führt und ob wir diese Entwicklung wollen“, betont Lehmann.
Den Forschern zufolge wäre der nächste Schritt die Einbeziehung anderer Informationen, wie Text und Bilder oder Informationen über soziale Beziehungen. Diese Nutzung von Daten eröffnet eine ganz neue Interaktion zwischen Sozial- und Gesundheitswissenschaften.
Quelle: „Using sequences of life-events to predict human lives“ (Nature Computational Science, 2024)
von Philipp Rall