In einer schönen neuen Welt nutzen Forscher Genscheren, um Tiere gegen alle möglichen Krankheiten resistent werden zu lassen. So könnte das Aussterben von Arten, aber vor allem auch die Ausbreitung von Seuchen in Tierställen verhindert werden. Zum Beispiel könnten mithilfe der Genomeditierung Hühner so verändert werden, dass die Vogelgrippe ihnen nichts mehr anhaben kann.
Dass diese schöne neue Welt heute bereits Realität ist, haben Wissenschaftler um Mike McGrew von der University of Edinburgh in einer Studie nun gezeigt – zumindest so halb: Sie haben im Erbgut von Keimzellen von Hühnern zwei Aminosäuren im Gen ANP32A verändert. Dadurch konnte das Influenzavirus nicht mehr in die Zellen eindringen, und die Hühner waren resistent gegen die Vogelgrippe. Die Tiere selbst aber zeigten ansonsten keinerlei Beeinträchtigung durch die Genveränderungen, wuchsen normal auf und verhielten sich wie ihre genetisch unveränderten Artgenossen. Auch ihre Legeleistung blieb über den Beobachtungszeitraum von zwei Jahren hinweg unauffällig.
In Infektionsversuchen, bei denen die genveränderten Hühner im Stall Grippeviren ausgesetzt wurden, zeigten sie sich resistent. Sie wurden nicht krank. Zumindest solange die Virenkonzentration so hoch war, wie sie es bei normalen Influenzaausbrüchen in Geflügelhaltungen ist. Diese Studie, die in „Nature communications“ (doi: 10.1038/s41467-023-41476-3) erschienen ist, zeigt also: Genveränderungen, die Hühner gegen die Vogelgrippe resistent werden lassen, sind heutzutage tatsächlich schnell und effizient möglich.
Ist das Ende der Tierseuchen gekommen?
Ist das Ende der Gefahr durch die Vogelgrippe damit gekommen? Gar das Ende der Tierseuchen? Wird also das Keulen ganzer Bestände, in denen sich das Virus ausbreitet, künftig obsolet werden – und ist zudem die Gefahr gebannt, dass die Vogelgrippe als Zoonose auf den Menschen übergeht?
Unabhängige Wissenschaftler sind eher skeptisch. Denn in den Versuchen zeigte sich auch, dass die Resistenz der genveränderten Hühner nicht hundertprozentig war. Erhöhten die Wissenschaftler die Dosis der Viren auf das Tausendfache einer realitätsnahen Exposition, so erkrankte im Durchschnitt eines von neun Tieren. Und diese Durchbruchsinfektionen sind ein Problem. So sagt etwa der Virologe Stephan Ludwig von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster: „Es ist eine Proof-of-Concept-Studie, die zeigt, dass eine gut durchdachte Gene-Editing-Strategie geeignet sein kann, um eine robuste Resistenz gegen Infektion zu erreichen.“ Es werde aber durch die Versuche mit den hoch dosierten Virusmengen klar, dass Durchbruchsinfektionen wegen der hohen Anpassungsfähigkeit der Viren leicht möglich sind. „Erst bei Entfernung weiterer verwandter Gene konnte die Hemmung des viralen Vermehrungsenzyms wieder erreicht werden, allerdings geben die Autoren auch selbst zu bedenken, dass solche massiven Eingriffe in das Genom bestimmt nicht ohne negative Folgen für das Tier bleiben.“
Mutationsfreudige Viren
Auch Timm Harder, Leiter des Nationalen Referenzlabors für Aviäre Influenza am Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems, kommentiert die Ergebnisse der Studie zurückhaltend. Zwar sei im Kampf gegen die Vogelgrippe, die sich mittlerweile nahezu weltweit in Wildvögeln ausgebreitet hat und bei der somit ein hohes Risiko für die Infektion von Geflügel besteht, jedes neue Mittel zu begrüßen. Auch er weist aber auf die beobachteten Durchbruchsinfektionen bei hohen Viruskonzentrationen hin. Dabei ist nicht das Immunsystem der Vögel schwach geworden, sondern die Viren hätten sich so verändert, dass sie trotz der genetischen Veränderung der Hühner in die Zellen eindringen konnten. „Einige dieser Mutationen stellten sich als identisch mit solchen heraus, die auch eine erhöhte Anpassung an Säugertiere und Menschen vermitteln können. Dies ist ein kritischer Punkt, der darauf hinweisen könnte, dass Viren existieren, die weitere resistenzumgehende Mutationen entwickeln können.“