Sie sind eine der Sprecherinnen der Parlamentarischen Linken in der SPD-Fraktion, Frau Esdar. Was in dieser Koalition ist für eine Linke das wichtigste Anliegen?
Die entscheidende Frage ist für mich, wie wir diese Demokratie weiter stark halten können und welche Rolle wir Abgeordnete im Bundestag dabei spielen. Wir diskutieren in dieser Woche über den Bundeshaushalt. Ich habe einigen Rednern der Opposition zugehört, die den Eindruck vermitteln wollen, die Regierung wäre bei Entscheidungen, wofür sie Geld ausgeben will, nicht transparent. Das ist schlicht falsch. Wir müssen uns auch darauf verlassen können, dass nicht zu weite Teile der Opposition zu populistisch werden.
Fehlt es an Transparenz?
Manche Unterstellungen aus der Opposition erschüttern mich. Es stimmt nicht, dass durch die Sondervermögen nicht mehr erkennbar ist, wie viele Schulden wir machen und wofür wir Geld ausgeben. Für jedes Sondervermögen liegt ein vollständiger Wirtschaftsplan vor. Alle Abgeordneten können sich umfassend informieren. Allerdings müssen wir so kommunizieren, dass nicht nur diejenigen, die sich hauptberuflich mit Politik beschäftigen, sondern alle Bürger erkennen können, was wir vorhaben.
Es gibt insgesamt 29 Sondervermögen, mancher sagt: Sonderschulden. Zusammen können mit diesen annähernd 600 Milliarden Euro Schulden aufgenommen werden. Ist das der Preis für einen stabilen Kernhaushalt?
Sie sprechen auf jeden Fall einen wichtigen Punkt an: Es gibt den Kernhaushalt und die Sondervermögen. Nehmen wir mal das für die Bundeswehr. Bei langfristigen und großen Beschaffungen ist es sinnvoll, das Jährlichkeitsprinzip des Haushalts auszusetzen, weil vorab nicht immer klar ist, wann auch tatsächlich geliefert werden kann, und wir final bezahlen müssen. Das geht mit dem Sondervermögen flexibler.
Sie sind auch Vorsitzende des Gremiums „Sondervermögen Bundeswehr“ des Haushaltsausschusses. Der Bundesrechnungshof kritisiert das Sondervermögen mit den Worten, es handele sich um „budgetflüchtige Ausgaben“ und eine „Topfwirtschaft“.
Der Bundesrechnungshof ist für uns im Haushaltsausschuss ein ganz wichtiger Ratgeber. Seine Gutachten sind für uns immer sehr hilfreich, insbesondere im Rechnungsprüfungsausschuss setzen wir uns intensiv mit ihnen auseinander, auch mit den Handlungsempfehlungen. In einigen Punkten kann man die Kritik nachvollziehen, in anderen nicht. Am Ende ist aber klar: Die Verantwortung tragen wir als Parlament. Beim Sondervermögen für die Bundeswehr bin ich weiterhin der Auffassung, dass es richtig war, auf diesem Weg schnell handlungsfähig zu werden, um die Bundeswehr auszurüsten, ohne Kürzungen im Sozialetat oder bei den Bildungsinvestitionen hinnehmen zu müssen.
Der Rechnungshof mahnt zudem in seinem jüngsten Bericht, das Geld aus dem Sondervermögen solle wirklich nur für die geplanten „bedeutsamen Ausrüstungsvorhaben“ verwendet werden, nicht für laufende Kosten der Bundeswehr, damit das Zwei-Prozent-Ziel erreicht werden kann. Werden demnächst die Lastwagen der Bundeswehr aus dem 100-Milliarden-Topf betankt?
Dieser Bericht liegt uns seit dieser Woche vor. Den werden wir intensiv prüfen. Wir brauchen die Ausrüstung, aber wir müssen auch sicherstellen, dass die beschafften Güter nicht nur auf dem Hof stehen, sondern dass sie auch fahrtüchtig sind und genutzt werden können.
Kann es sein, dass der Verteidigungshaushalt im Laufe der Beratungen doch noch wächst, wie es Minister Pistorius gefordert hatte?
Wir werden gründlich über den Haushalt beraten, werden auch die Steuerschätzung im Oktober einbeziehen. Das Zwei-Prozent-Ziel wird auf jeden Fall erreicht.
Ein Thema, das nicht nur den Grünen, sondern auch der SPD-Linken, sehr wichtig ist, ist die Kindergrundsicherung. Nachdem erst Forderungen im Raum standen, es solle dafür ein kleiner zweistelliger Milliardenbetrag aufgebracht werden, ist es nach zähem Streit zwischen FDP und Grünen nun ein kleiner einstelliger Betrag. Reicht Ihnen das?
Ich begrüße vor allem, dass wir endlich ein Konzept haben und darüber reden. Außerdem haben wird das Kindergeld um insgesamt sieben Milliarden Euro erhöht. Das muss man in die Rechnung einbeziehen. Schließlich kommt der Kinderzuschlag Menschen mit geringen Einkommen jetzt mehr zugute und das Existenzminimum wird angeglichen.
Würden Sie das Aushandeln des Kompromisses zwischen Familienministerin Paus und Finanzminister Lindner als Glanzstück politischer Verhandlungskunst bezeichnen?
Nein. Der Weg zum Kompromiss bei der Kindergrundsicherung war das Gegenteil von einem Glanzstück.