Herr Klein, das Weltwirtschaftsforum wird dominiert von Amerikanern, Indien ist sehr präsent und die Golfstaaten drängen mit Macht nach vorne. Von den deutschen Konzernen ist SAP der einzige mit sichtbarer Präsenz. Machen Sie als Letzter das Licht aus?
Für SAP ist es extrem wichtig, hier Flagge zu zeigen. Wir treffen mehr als 200 Kunden und Partner und wollen vorstellen, wo es hingeht, etwa mit unserem KI-Assistenten „Joule“. Manche Treffen sind ein bisschen wie „Speed-Dating“, aber ich ziehe mich auch mal zwei Stunden raus und höre einem spannenden Panel zu. Oder ich erfahre auf einem Abendessen etwas über die Erwartungen an das Wahljahr in den USA. Und ich nutze Davos natürlich, um Ideen für mich zu gewinnen.
Aber ist es nicht sinnbildlich für die Probleme der deutschen Wirtschaft, wenn andere Weltregionen den Ton auf dieser Bühne angeben?
In der Tat ist die Welt im Wandel, gerade in der Tech-Industrie geht das besonders schnell. Ich möchte aber nicht ganz so pessimistisch sein. Worauf es jetzt ankommt, ist mutig zu sein und in die Geschäftsmodelle der Zukunft zu investieren. Denn hier wird sich durch Künstliche Intelligenz vieles verändern. Es geht nicht nur um die Prozesse selbst, sondern auch um die Frage, wie ich die Mitarbeiter mitnehme. SAP wird dadurch anders Software entwickeln, ein anderes Marketing betreiben, den Finanzbereich anders aufstellen. Es ist also auch ein Thema von Aus- und Weiterbildung.
Wissen denn ihre Kunden schon konkret, was Sie von Ihnen wollen, wenn es um KI geht?
Absolut. Die Chefs der amerikanischen Tech-Konzerne haben alle hier gesessen und waren sehr interessiert. Im privaten Umfeld ist der Gebrauch von KI durch ChatGPT schon im Alltag angekommen. Aber für Business-Anwendung brauchen Sie vor allem eines: viele hochwertige Daten. Und wir besitzen diese Daten aus allen Unternehmensbereichen, von der Produktion über die Finanzen bis zum Personal. Jetzt geht es darum, diese Daten so aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen, dass KI Probleme lösen kann, die ein Mensch heute nicht lösen kann. Dafür ist SAP sehr gut aufgestellt. Klar ist: Unsere Kunden wollen auch sehen, dass sich ihr Investment am Ende rechnet.
Sie kooperieren mit Microsoft und Co.?
Natürlich, allein wird es nicht gehen. Wir setzen deshalb nicht nur auf unsere eigenen KI-Modelle. Realistischerweise haben Kunden verschiedene KI-Assistenten im Einsatz. Die Kunst wird es sein, diese zusammenarbeiten zu lassen. Und wir müssen zusehen, dass wir in Sachen Datenqualität und -quantität führend bleiben.
Das ist die Hoffnungsgeschichte der deutschen Industrie: Dank der vielen Industriedaten die Applikationen zu entwickeln, mit denen sich viel Geld verdienen lässt. Glauben Sie wirklich, dass sich die Amerikaner auf Dauer damit begnügen, die Infrastruktur dafür zur Verfügung zu stellen?
Natürlich werden die Amerikaner eine große Rolle spielen und enorm an KI verdienen – alleine weil die zahlreichen Anwendungsfälle die Nachfrage im Cloud-Geschäft immens beflügeln werden. Aber unsere ersten Lösungen, die wir 2024 ausrollen, machen mich extrem zuversichtlich. Viele Beispiele stehen im Raum. Wie kann ich mich als Unternehmen besser auf eine zunehmend volatile Weltwirtschaft einstellen, damit nicht zu viele Waren zur falschen Zeit am falschen Ort sind? Hier kann generative KI helfen, Milliardenbeträge einzusparen. Oder schauen sie sich die Probleme mit der Bedrohung durch die Huthis im Roten Meer an. KI ist nicht nur in der Lage zu sagen, wie man kostengünstig von A nach B kommt, sondern wie sich dabei auch die Lieferfristen einhalten lassen.